laut.de-Kritik
Brave Ekstase - zwei Stunden lang.
Review von Simon ConradsEin Album wie eine Zeitkapsel, um die Fans zum legendären Münchener Abend zurückzubringen, an dem 130.000 Menschen dem ansatzweise innovativen Stampf von Helene Fischer huldigten. Ein Album als Andenken, mit dem gleich doppelt zur Kasse gebeten werden kann. Keine schlechte Idee, zumal die CD, respektive DVD pünktlich zum Weihnachtsgeschäft auch bei Leuten unter dem Baum landen könnten, die gerne in München dabei gewesen wären.
Angekündigt wurde das "Megakonzert" im vergangenen August als einziger Auftritt der Musikerin in Deutschland 2022 und anfangs, so schrieb der Spiegel, gar als "größtes Konzert der deutschen Geschichte". Der Claim wurde dann sukzessive heruntergedimmt, bis es immerhin noch das größte Konzert Fischers ever wurde, bei dem die Zuschauer*innen trotz angekündigtem Regenwetter aber keine Schirme und trotz langem Anstehen keine Powerbanks mitnehmen durften. Skandal!
Wie skandalös einige Schlagerfans das Konzert fanden, wurde damals in TikTok-Videos dokumentiert, in denen man erzürnte, in Regenponchos verpackte Konzertgänger*innen beobachten konnte, die auch aufgrund des Playbacksounds den Kauf ihrer (nach eigener Asssage teilweise 1.300 Euro teuren) Tickets bereuten und den Verantwortlichen die Leviten lesen wollten. Kein guter Eindruck, aber andererseits nichts, was ein von der Schlager-Promotionsplattform ZDF ausgestrahlter Konzertfilm nicht wieder geradebiegen könnte.
Dort sah man Anfang Oktober, dass der Auftritt bühnenseitig ein stattliches Spektakel war, mit einer schwebenden Fischer, mit Feuershow, alles durchchoreographiert und riesengroß. Neben den Empörten, das zeigt der Film, gab es auch viele Zuschauer*innen, die von dem Konzert zu Tränen gerührt waren und die Protagonistin euphorisch bejubelten. Größer ist nicht immer besser, aber im Fall des München-Konzerts ist größer zumindest imposant. Zumal der Blick in die Welt des Schlagers augenscheinlich tiefberührte und glückselige Fans offenbart, die in Fischers Songs offensichtlich eine gewisse Tiefe und Emotionalität finden, was dann wiederum die ausufernde Darbietung rechtfertigt.
Auf Platte gepresst, fehlt den Stücken aber besagte Gefühlsspiegelung. Überhaupt lässt sich das Spektakel kaum auf der auditiven Ebene einfangen. Gepaart mit dem Eindruck, dass tatsächlich viel vom Band kam, und auch kaum Ansagen abseits von "München!"-Rufen zu vernehmen sind, gerät "Rausch (Live)" zu einer ziemlich drögen, knapp zwei Stunden langen Angelegenheit.
Da, wo die Instrumente, vor allem das Schlagzeug, etwas ausbrechen, im Intro vom Opener "Genau Dieses Gefühl" etwa, macht die Musik durchaus Laune, verfällt dann aber meist sehr schnell wieder in den typischen Schlagerstampf zurück. Häufig spielt man in den Stücken mit anderen Genres, ein Hauch Rock in "Blitz", ein Fitzelchen Funk in "Ich Will Immer Wieder... Dieses Fieber Spür'n" oder ein unerwarteter Salsa-Part in "Liebe Ist Ein Tanz". Aber zu viel Abweichendes will man den Zuhörer*innen auch wieder nicht aufbürden.
Die schmalzigen "Wir Zwei" und "Volle Kraft Voraus" könnten in den Live-Versionen auch als Disney-Songs dienen. Besonders im Kontrast zu diesen vergleichsweise wilden Stücken fallen dann Titel wie das von Drum-Computer und billigen Synths getragene "Unser Tag", "Vamos A Marte" oder das mit übertrieben epischem Zwischenpart verstörende "Wenn Alles Durchdreht" stark ab. Auch die zwei wirren Medleys, in denen unter anderem die Black Eyed Peas herhalten müssen, funktionieren nicht. Fischers Ausdauer, alle Songs mit der gleichen Inbrunst und einem "Lächeln aus Stahl", wie der Spiegel schreibt, vorzutragen, ist besonders bei den musikalischen Schwachpunkten beeindruckend.
"Rausch (Live)" greift für die Höhepunkte der Songs verlässlich auf überhörte, billige EDM-Elemente zurück, mit fetten Synth-Melodien, die Bilder von maximal braver Ekstase hervorrufen. Das von Fischer als "komplettes Durchdrehen" angekündigte "Achterbahn"-Outro beispielsweise wirkt ohne den Anblick gesittet eskalierender Fans noch unpassender. Die beiden Hits "Herzbeben" und "Atemlos Durch Die Nacht", mit einem seltsamen Einwurf von Michael Jacksons "Dirty Diana" garniert, wirken durch die vielen Publikumsanimationen Fischers anstrengend.
All jenes also, was vor Ort eventuell sogar Schlagerantis interessant bis spannend gefunden hätten, überträgt sich auf Platte nicht, zumal die Live-Versionen die Studio-Varianten nicht übertreffen. Den nach wie vor schönsten Content aus München liefern insofern die oben erwähnten TikTok-Videos.
8 Kommentare mit 12 Antworten
Titel passt. So stell ich mir das weiße Rauschen vor...
Musik für Bürokauffrauen, die mal wieder Emotionen spüren wollen weil sie von ihren Männern vernachlässigt werden.
Wenn ich Emotionen spüren will, dann lege ich eine Schallplatte von den Stieber Twins, Ruhrpott AG oder Too Strong auf. Bin aber auch momentan keine Bürokauffrau.
Liegt der Sammleredition ein Schweinefilet bei?
Das Schlachtvieh sind die Fans.
Dachte das wäre halt eine nette Geste, nachdem im ca. 2 Kilometer entfernten VIP-Bereich der münchener Megasause das begehrte Fleischgericht irgendwann ausging, und einige der völlig durchnässten Fans den Rückweg zum Parkplatz hunrig antreten mussten.
Rezensengten mit Würde vergeben ungehört 1/5.
pardon, *Rezessengten
Oder wie ein alter weiser Mann sagte: ungehört, weil unhörbar.
Kann nicht von einer ernstzunehmenden Musikredaktion besprochen werden.
Dat is doch keine Musik. Das ist vertonter Gefühlskitsch für die Stumpfsinnigen, die sich auch das 4te mal impfen lassen, weil sie nach dem 3ten mal krank geworden sind.