laut.de-Kritik
Relaxierend und frisch. Glücksgefühle en masse.
Review von Michael SchuhWäre die Musik von Hot Chip eine Einrichtung, dann vielleicht ein Kinderballparadies wie man es in diesen großen Kaufhausketten vorfindet. Beats purzeln, egal in welcher Ausrichtung, in der Stärke von Softbällen auf den Hörer nieder. Die stets präsenten Stimmen der beiden Hot Chip-Protagonisten Alexis Taylor und Joe Goddard vereinigen sich dabei auf solch geschmeidige Art und Weise mit den Melodien, dass sogar jeder Fünfjährige sofort mitsingen würde, wären die Texte nicht auf englisch.
"The Warning" ist das zweite Album des britischen Tüftler-Quintetts nach einer undurchsichtigen Zahl an EPs, die auf abseitigen Indie-Labels wie Moshi Moshi erschienen sind und deren Pop-Potenzial nun einen Majordeal mit EMI auf den Weg brachte. Gerechtfertigt ist das allemal, denn "The Warning" entwickelt mit fortlaufender Drehzahl einen angenehmen Sog, den ich mir einerseits mit meiner massiven Zuneigung für samtenen Electro Pop erkläre, den aber maßgeblich das Songwriting ankurbelt, das genug verschwurbelt programmierten Eigensinn besitzt, um auch die Freude am durchdachten Detail zu befriedigen.
Diese Vielseitigkeit dürfte nicht zuletzt den schrankenlosen, musikalischen Vorlieben der fünf Akteure geschuldet sein, deren Einflüsse bei den Beach Boys beginnen und bei New Order noch lange nicht enden. Dementsprechend schwer fällt die Kategorisierung ihres Sounds, dessen melancholisch-anspruchsvoller Wohlklang nach einiger Zeit wie der Gang durch ein Entmüdungsbecken anmutet. Relaxierend und frisch zugleich. Glücksgefühle en masse.
Will man Songs hervorheben, dürfen die bereits ausgekoppelten Singles "Over And Over" und "Boy From School" nicht fehlen, die diese Ehre zu Recht genießen. Ergänzen möchte ich mit "Arrest Yourself" einen beinahe knallig komponierten 80s-Rocker mit Depeche Mode-Bassline und den ebenso wenig gelenkschonenden Super-Shuffle "Tchaparian".
Hot Chip beeindrucken mit einer mitteilsamen Beiläufigkeit, die man im elektronischen Pop-Bereich selten findet und die sicher nicht ohne die Liebe der Band zu den häufig als fachfremd angesehenen Genres Soul und Funk zustande gekommen wäre. Zart wie Death Cab For Cuties, experimentell wie Boards Of Canada, losgelöst wie Turner, und doch ganz und gar eigen; wenn dieses Jahr zu Ende geht, sind Hot Chip lange nicht vergessen.
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