laut.de-Kritik
Lebende Show bis zum letzten Applaus.
Review von Dani Fromm"Jetzt bin ich 64, doch es macht mir nichts aus / Komm' ich auch aus meinen Schuhen nicht mehr ganz so schnell raus." Was (nehme ich an) körperlich stimmt, gilt bei Howard Carpendale zweifelsohne in künstlerischer Hinsicht: So schlecht, wie der Mann aus seinen Schuhen kommt, so wenig kann er aus seiner Haut - und strebt das vermutlich auch gar nicht an.
Man wäre geradezu irre, auf musikalische oder inhaltliche Revolutionen zu hoffen. Howard Carpendale erfreut sich seit Jahr und Tag einer treuen, anhänglichen Fangemeinde, die keinesfalls vor den Kopf gestoßen, sondern liebevoll gepflegt werden will. Wer das Werk des Südafrikaners kennt und schätzt, den bedient "Das Alles Bin Ich" entsprechend ganz vortrefflich.
Howard Carpendale setzt weiterhin unbeirrt (wenn nicht stur) auf sein bewährtes Erfolgsrezept: Selbsterkenntnis und Beziehungs-Bestandsaufnahmen in je nach Bedarf balladeskem bis sachte poppig angerocktem Gewand. Jeder, der solches für langweilig erachtet, tut dies mit vollem Recht.
Was die Musik angeht, darf man dieses Album getrost den Hasen geben. Tönt "Was Machst Du Noch Heute Nacht" nur ein wenig nach Runrig, "Alles Hat Seine Zeit" nur leicht nach "Here Comes The Sun" von den Beatles, brettert "Doch Du Bist Noch Da" so hemmungslos über Chris Reas "Road To Hell", dass einem schwindlig wird. Eigenständigkeit hört sich wirklich und wahrhaftig anders an.
Dass man "Das Alles Bin Ich" dann aber doch nicht frustriert in die nächstbeste Ecke werfen will, geht einzig und allein auf das Konto eines sympathischen, authentisch gefühlvollen, selbstironischen, immer wieder augenzwinkernden Interpreten. Howard Carpendale ist und bleibt ein Charmeur vor dem Herrn, wie er für jede Lebens- und vor allem Liebeslage eine Situationsbeschreibung aus dem Hut zieht.
Genau da liegt seine Stärke: Carpendale erweckt die seiner warmen, inzwischen auch leicht angerauten Stimme auf den Leib geschneiderten Texte zum Leben, haucht ihnen Seele ein. Wenn er sein eigenes Älterwerden, die tägliche Konfrontation mit täglich fortschreitendem körperlichen Verfall beschreibt, beschleicht einen der tröstliche Eindruck: Irgendwie halb so schlimm, so lange einem der Humor nicht abhanden kommt.
Seine einfühlsam beobachteten Momentaufnahmen zwischenmenschlicher Beziehungen in den unterschiedlichsten Stadien berühren nicht, weil sie neu oder frisch wären, sondern genau aus dem entgegen gesetzten Grund: Jeder, der älter ist als ... sagen wir 20, kennt die Situationen nur zu gut, findet sich darin wieder - oder wünschte doch zumindest heimlich manchmal, dem wäre so.
Wenn dieses Urgestein unter den Schlager-Interpreten seine jeweilige Lage analysiert und sich dabei sein unverwechselbarer Akzent Bahn bricht, dann tut das Allerlei aus Gitarre, sich dahinter schmiegenden Streichern, den ewig klingelnden Chimes und hingebungsvolle "Uuuhs!" in die Welt stöhnenden Background-Chören plötzlich kaum noch weh. "Lebende Show bis zum letzten Applaus"? Meinetwegen kann sich Howard Carpendale bis dahin gerne noch ein bisschen Zeit lassen.
7 Kommentare
Kleine Korrektur: Der Kerl kommt aus Südafrika
argl. das meinte ich doch.
Ich find' ihn gut. Das sind eben halt noch Typen. Das ist eben halt nicht dieser klassischer Düdüdüdü-Duff-Flippers-Amigos-Schlager, sondern schon mehr ausgefeilter in den Arrangements und Produktion. Sozusagen Sophisticated Schlager mit einem Schuss Pop . Ich hab' mal ins Album reingehört. Ich find's nicht schlecht. Ich hab' auch mir mal die Live-DVD im Fernsehen angeguckt und war wirklich begeistert. Das war echt 2 Stunden Entertainment, kann ich jedem nur empfehlen. Isch freu mich rießich
HOWIE!!!
Nächsten Monat ist der Herr Jürgens auch wieder mit ganz frischem Album da.
"mehr ausgefeilter", soso...
Ich finde die frühen Flippers richtig gut. Hab mal in ein paar CDs reingehört und muss schon sagen: Nicht schlecht.
Auch die neue Wendler wird mal wieder total unterbewertet - mein absoluter Geheimtipp!
"Das alles bin ich, das ist nicht er, sondern das
ist billig kopiert und geklaut. Nach "Herrn zu Guttenberg" nichts Neues. In diesem Lied lässt
eindeutig Tom Pettys "Learning to fly" grüßen.