laut.de-Kritik
Da tropft der Schweiß von der Decke.
Review von Connor EndtIdles sind aktuell der heiße Scheiß. Man muss schon unter einem Stein gelebt haben, wenn man das bis jetzt noch nicht mitbekommen hat. In den letzten Wochen des Jahres ist traditionell die Zeit, in der Labels Compilations und Live-Alben auf den Markt werfen und auch die britischen Post-Punker lassen sich nicht lumpen und präsentieren das bereits im vergangenen Jahr aufgenommene Konzert aus dem Bataclan in Paris.
Auf "A Beautiful Thing" sind in etwa gleichen Anteilen die Songs der beiden Alben "Brutalism" und "Joy As An Act Of Resistance" gelandet. Der Fokus lag bei der Setlist aber eindeutig auf den groberen Stücken, ruhigere Nummern wie etwa "June" sucht man hier vergeblich. Stattdessen hacken sich Joe Talbot und Band mit unglaublicher Power durch ihre eigene Diskographie. Da die Aufnahmen bereits 2018 entstanden, wurden die beiden (relativ) neuen Singles "Mercedes Marxist" und "I Dream Guillotine" noch nicht mit in den Moshpit geworfen.
Ansonsten bekommt man eigentlich genau das zu hören, was man sich von einem Live-Auftritt der Idles verspricht: Joe Talbot schnoddert seine Texte ins Mikro, die Gitarren drehen knapp bis zur Schmerzgrenze frei und senden noisige Melodien durch die Amps. Schlagzeuger Jon Beavis prescht nach vorne und hält den Kurs, während seine Bandkollegen völlig durchdrehen. Wenn man beim bisherigen Output der Band zuweilen an Pub-Unholde denken musste, die gerade lautstark ihre Hymnen anstimmen, so wird dieser Eindruck live noch verstärkt: Songs wie "Danny Nedelko" leben ja auch gerade von ihrem Mitgröl-Charakter und dem rumpeligen Charme.
Joe Talbots Ansagen folgen dem politischen Kurs, den die Band seit Tag eins propagiert: habt euch lieb, schlagt euch im Moshpit nicht die Schädel ein, respektiert einander. Bei "I'm Scum" konnte sich der Frontmann eine kleine Stichelei Richtung Sleaford Mods nicht verkneifen: statt "I'm just another cunt" heißt es da plötzlich "I am a sleaford mod." Die Kooks hatten die Arctic Monkeys, Blur hatte Oasis, es scheint einfach etwas zu fehlen, wenn man als britische Band keinen Widersacher beharken kann.
Einige Nummern geraten live deutlich schleppender als im Original. Bei "Never Fight A Man With A Perm" und "Gram Rock" scheinen die Musiker deutlich das Gas herausgenommen zu haben. Wenn man sich anschaut, wie sich die Band auf der Bühne verrenkt und abkämpft, ist das aber auch kaum verwunderlich. Schade eigentlich, dass für "A Beautiful Thing" nicht das komplette Konzert mitgefilmt wurde. Bei den drei veröffentlichten Konzert-Videos ("Mother", "Television", "Great") bekommt man jedenfalls ein viel besseres Gefühl dafür, warum die Idles zurzeit als eine der besten Live-Acts abgefeiert werden. Bis zum nächsten Release, an dem bereits fleißig gearbeitet wird, dient "A Beautiful Thing" aber bestens zur Verkürzung der Wartezeit. Idles bleiben King!
1 Kommentar
Nicht-Singen-Können zur Krach-Kunst erhoben [*]
https://peter-hamburger.de/panorama/2019/1…