laut.de-Kritik
Davon können die Hosen nur träumen.
Review von Ulf KubankeMan kann mittlerweile die Uhr danach stellen, wie lange es nach jeder Studioplatte dauert, bis die zugehörige Livescheibe hinterher trottet. Nun also Touralbum Nummer sechs in noch nicht mal 15 Jahren. Die Extremisten halten es hier mit Manowar: Alles was live geht, muss später dokumentiert werden!
Das hat laut den InExxen jedoch nichts mit dem beiläufig oft zu vernehmenden Vorwurf des 'leicht und schnell verdienten Geldes' oder gar 'kreativen Lähmung' zu tun. Stattdessen können sie gar nicht anders. Michael Rhein: "Das liegt wirklich nur an der Nachfrage. Es gibt hunderte und tausende von Mails, in denen die Leute fragen, ob man dies oder jenes nicht als CD oder DVD erwerben könne".
Ein Ansatz, der es dem Autor nahezu unmöglich macht, nicht schon wieder über die nicht nur gefühlt hundertste Version von "Zauberspruch" oder "Küss Mich" zu fabulieren. Aber ist wirklich alles musikalisch Relevante längst gesagt? Zum Glück nicht. Diese Konzertaufnahme aus Siegen (CD plus DVD) kann getrost als Number One unter den harten Livezeugnissen der Combo durchgehen. War doch das letzte Dokument "Am Goldenen Rhein" (2009) mehr Blechtrommel als Goldader. Doch damit ist Schluss.
Der gesamte Sound tönt jetzt um Längen pointierter und vielschichtiger. Die besonders bei hart rockenden Extremo-Gigs oft vorhandene Gefahr üblen Soundbreis wurde eliminiert. Rheins polarisierender Gesang ist stimmlich auch deutlich besser an Deck als ehedem. Als Entertainer ist der Mann ohnehin eine Bank.
Einziger kleiner Wermutstropfen: Wenn man mit solch einer Stimme zwischendrin zu viel Pathos-Gas gibt (der Anfang von "Zauberspruch No. VII"), läuft man Gefahr, vom magischen Spiritmaster zur überartikulierenden Dramaqueen zu verkommen. Ein ganz kleines bisschen weniger 'evil Märchenonkel' wäre vor allem in den lateinisch gesungen Passagen der Songs ein Gewinn.
Ansonsten offenbart der Abend nur allzu deutlich InEx' Ausnahmestellung unter Deutschlands Genrekollegen und Big Shots. Auf der Bühne zeigen sich - gerade auch bei den neuen Songs - ihre beiden Seelen harmonisch vereint. Zwar steht der harte Rock mit gelegentlichen Metalattacken deutlich im Vordergrund. Gleichwohl degradiert er Sackpfeife und Trumscheit keine Sekunde zu schmuckem Beiwerk.
Es hält sich die jeweils eine Seite wohltuend zurück, sobald die andere loslegt. Dabei bleiben sie stets ineinander verwoben. Kein separates Herumjaulen oder gegeneinander Aufspielen wie bei allzu vielen 'Crossover'-Gigs (etwa das ewige Negativbeispiel von Metallicas grässlichem "S&M"). Beide Strömungen zusammen wirken hier homogener als noch vor ein paar Jahren.
Von solch wuchtig filigraner Atmosphäre können andere deutsche Bands nur träumen. Hosen und Co. sind nur kommerziell dieselbe Liga - handwerklich nicht eine Minute. Live überforderte Mittelalter-Mitbewerber wie Schandmauls Frontmann Thomas Lindner stehen etwas tragikkomisch daneben wie ein als Ritter verkleideter Knappe. Von den gesanglich und musikalisch kaum weniger dünnen Darbietungen der Letzten Instanz gar nicht zu reden.
"Liam" kommt in der ultimativen Hymnenrockversion besser rüber als je zuvor. Und das ebenso wundervolle wie ehrwürdige nordische Traditional "Herr Mannelig" (Schweden, 19. Jh.) als noch fetteres Markplatzspektakel. "Om i viljen eller ej!" Neulinge und Fans können gern zu dieser Platte greifen, wenn es derbe losgehen soll. Wer die virtuose Seite bevorzugt, findet in der "Sängerkrieg Akustik Radio Show" die passende Ergänzung.
14 Kommentare
mag sie eigentlich nicht, kann sie wegen dem auftritt im alten lager aber auch nicht haten
Gibt's ja nicht, Anwalt: Wir waren lange nicht mehr einer Meinung, aber deine Abscheu für "SM" teile ich vollkommen.
Als ich InEx 2010 bei Rock im Park gesehen hab, klang es wirklich, als würden sie unter Wasser spielen, so ekelhaft verwaschen und drucklos war das. Dieses Jahr wurde es um einiges besser, richtig klar, dicht und atmosphärisch (man wurde nur rausgerissen, wenn MRR wieder drei Schippen zu viel Pathos in die Waagschale geworfen hatte; da hast vollkommen recht, Anwalt).
@ Anwalt
Aha + soso! Ist plausibel, was du schreibst. Jeder setzt seine Kriterien eben etwas anders.
UND: Lebbe ged weida (Dragoslach Stepanowitz, Fußballer).
Und jetzt muss ich mich weiter in In Extremo einhören.
und was haben die hosen jetzt damit zu tun?
Review gelesen?