laut.de-Kritik
Mit Rythmen aus Tansania in zwei Minuten zur Ekstase
Review von Sven KabelitzWarum gelten England und Amerika als so maßgebend, was das künsterliche Empfinden unserer populären Musik angeht? Warum werden Afrika und andere Erdteile dermaßen missachtet? Kein Ton, keine Melodie in unserer Musik ist mehr wirklich neu, kein Akkordwechsel mehr überraschend. Trotzdem halten wir uns an unseren Gepflogenheiten fest, als wären es Familienmitglieder.
Aber die Welt ist so groß, bietet so viele Möglichkeiten und andere Sichtweisen, abseits des Musiktipps im Morgenmagazin. Tansania liegt näher als die USA. Aber wer weiß schon etwas über die Musik in diesem Land? Dort, in der Stadt Dar es Salaam, hat sich über die Jahre hinweg das Musikgenre Mchiriku gebildet. Ihr popülarster Vertreter ist Jagwa Music.
Nachdem sich die Band über viele Jahre in ihrer Heimat eine große Anhängerschaft erspielt hat, liegt mit "Bongo Hotheads" der erste internationale Release vor. Eingespielt haben ihn die Musiker live vor der eigenen Familie, vielen Kindern und neugierigen Nachbarn. Auf diese Weise bannen Jagwa Music die Energie ihrer Liveauftritte auf Tonträger.
"Bongo Hotheads" von Jagwa Music ist ein fröhliches Percussion-Feuerwerk, unterlegt mit dem Lo-Fi Sound eines alten, verzerrten Casios. Durchgehend. Das Album in einzelne Tracks zu unterteilen, kommt eher einem Zugeständnis, als logischer Vorgehensweise gleich. Notwendig ist es nicht. Die Rythmen von Jagwa Music schaffen es innerhalb von zwei Minuten zur Ekstase. Eine Trance, in der man den Rest des Tages mit debilen Dauergrinsen durch den Alltag latscht. Anspieltipp: Ganz oder gar nicht.
Die Texte von MC Jackie Kazimoto stehen diesem Klangbild mit Vehemenz entgegen und zeichnen das Alltagsleben der Musiker nach. Sein Gesang stellt die einzige Mitte zwischen den tiefen Drumschlägen und den hohen Casiotönen dar. Einsam hat er hier allen Platz, um über die harte Realität, über Armut, AIDS, Gewalt, Voodoo und Drogen, zu berichten.
Bei ein wenig Offenheit bläst "Bongo Hotheads" in nur wenigen Minuten mit seinem ungewöhnliche Sound europäisch verkorkte Ohren frei. Denn wie wusste schon Kermit, der Frosch: "Das beste was Füße tun können, ist tanzen." Selbst bei aller Bitterkeit, die das Leben manchmal bietet. Jagwa Music geben diese Empfehlung an den ganzen Körper weiter. Wer stillhält hat selber schuld.
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