laut.de-Kritik

Keine Gefahr, in Richtung Culcha Candela abzudriften.

Review von

"You got to rock steady while the dance and the groove are taking you down." Dieser Maxime fühlen sich die acht umtriebigen Münchner verpflichtet und beweisen Ausdauer, Spielfreude und Kreativität.

Wer seine Musik als Nebenjob betreibt, gleichzeitig aber eine dreistellige Anzahl von Konzerten pro Jahr gibt und im Zweijahresrhythmus Alben veröffentlicht, muss erfinderisch sein. Jamaram schreiben ihre Songs bis heute hauptsächlich beim Jammen, proben sie beim Soundcheck und nehmen sie von dort aus direkt ins Studio mit.

Auf dem jüngsten Ergebnis dieses Prozesses spürt man diese Spontaneität vor allem bei den Stücken, bei denen Samuel Hopf zur Akustikgitarre greift. Diese scheint nach wie vor die Seele des außergewöhnlichen Jamaram-Stylees zu bilden.

Auf der anderen Seite beweisen Jamaram, was zehn Jahre Bandkarriere für hervorragende Musiker aus ihnen gemacht haben. Trotz aller Authentizität wirken die Songs vollkommen ausgereift. Selbst Stücke wie das ohnehin schon temperamentvolle "Oh My Gosh" warten mit einer erheblichen Spannungskurve auf.

Bis heute werden die Münchner häufig fälschlicherweise als Reggae-Band bezeichnet. Dass ihr Sound zahlreiche weitere Facetten beinhaltet, zeigt sich auf "Jameleon" mehr als je zuvor. Nur durch fünf der dreizehn Songs zieht sich der klassische Offbeat-Faden, ansonsten greifen Jamaram verschiedenste Einflüsse auf.

Egal ob mit südamerikanischer Leichtigkeit ("Cuentito"), groovenden Funk Rock-Anleihen ("Alright") oder einfach mit ehrlicher, akustischer Popmusik ("End Up"): Jedes Stück verbreitet seine eigene Atmosphäre und macht "Jameleon" zu einer angenehmen Reise durch viele Lebenslagen, in deren Verlauf in gut 50 Minuten keine Langeweile aufkommt.

Den Höhepunkt stellt "Heart Attack" dar, das sich wohl am besten als eine druckvolle Mischung aus Ska und Balkan beschreiben lässt. Während Jamaram über weite Strecken der Spielzeit überwiegend die sanfte Schiene fahren, bieten sie hier ein Kontrastprogramm auf Höchstgeschwindigkeit. Diese Nummer dürfte auch auf der laufenden Clubtour für hitzige Momente sorgen.

Dass die vielen verschiedenen Stile so gut ineinander aufgehen, hat auch mit der hochwertigen Produktion zu tun. Umberto Echo, bereits beim Vorgänger "Shout It From The Rooftops" der Mann an den Reglern, fängt ein weiteres Mal die Spielfreude der Band ein und mischt seine eigenen Dub-Einflüsse unter. Jedes Instrument kommt zur Geltung, gerade die feste Aufnahme des herausragenden Trompeters Franzis Wörmann ins Band-Line-Up hat sich sehr positiv ausgewirkt.

Textlich überzeugen Jamaram vor allem bei nachdenklichen Songs wie "Time Machine" und "Hard Way", in denen Sänger Tom Lugo auf melancholische Art und Weise über alltägliche Themen wie Liebe und Freundschaft philosophiert, ohne dabei kitschig zu wirken.

Es bleibt jedoch die Frage offen, ob man sich beispielsweise anstatt den etwas plump wirkenden Strophen des Titeltracks nicht lieber hier und da mit relevanteren Themen auseinandergesetzt hätte. "Den Style, den wir für euch backen gibts nur frisch / Album Nr. 5 wird jetzt aufgetischt / Mach die Ohren auf und dann guten Appetit! / Denn in deinem Radio läuft jetzt unser Shit."

Selbstverständlich ist nicht zu befürchten, dass das wandelbare Jameleon sich jemals in eine ähnliche Richtung wie Culcha Candela entwickeln wird. Dass sich die Band aber durchaus für interessantere Themen wie zum Beispiel soziale Probleme interessiert, belegen das unheilverkündende "End Of The World" oder ihr offenherziges Engagement für Kinder in Afrika.

Letzteres führte sie im Dezember 2008 auf eine mehrwöchige Reise nach Uganda, die musikalisch Spuren hinterlassen hat. Ihre positiven Erfahrungen verarbeiten sie zum Beispiel in "Rainbow", das mit einer Bläsermelodie die Sonne aufgehen lässt und mit seinen tänzerischen Rhythmen für gute Laune sorgt. Mit dem passend betitelten "Roots Dub" gelingt als finales Stück ein weiterer Höhepunkt, der das Album mit zerbrechlicher Stimmung und flehendem Text würdig beschließt.

Schon nach wenigen Durchläufen wird klar, dass sich Jamaram mit ihrem neuen Album selbst übertroffen haben. "Jameleon" bietet den idealen Soundtrack für entspannte Sommerabende und lädt sowohl zum Nachdenken und Ausruhen als auch zum Feiern und Tanzen ein.

[Review von Simon Langemann.]

Trackliste

  1. 1. Jameleon
  2. 2. Cuentito
  3. 3. Oh My Gosh
  4. 4. Heart Attack
  5. 5. End Up
  6. 6. Time Machine
  7. 7. Alright
  8. 8. Eva
  9. 9. End Of The World
  10. 10. Hard Way
  11. 11. Carried Away
  12. 12. Rainbow
  13. 13. Roots Dub

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