laut.de-Kritik
Diese Tracks könnten auch schon 40 Jahre auf dem Buckel haben.
Review von Eberhard Dobler"From Out Of Nowhere" ist das dritte Album mit neuer Musik - nach der Wiederauflage ELOs anno 2001. Und wie üblich ist man nicht ganz sicher, aus welchem Jahrzehnt die neuen Nummern nun stammen: Jeff Lynne könnte "Help Yourself", "Losing You" oder "Down Came The Rain" im Prinzip vor 40 Jahren geschrieben und erst heute aufgenommen haben. Als Indiz für diese These mag das 2012 erschienene "Mr. Blue Sky" herhalten, als Lynne alte Hits neu aufnahm - die Unterschiede hielten sich in Grenzen.
Was nun keinesfalls negativ gemeint ist: Denn der demnächst 72-Jährige, der "From Out Of Nowhere" wie gewohnt im Alleingang stemmte, zeichnet als Songwriter, Sänger, Multiinstrumentalist und Producer für Tracks verantwortlich, die sich auch nach vielen Jahrzehnten kaum abnutzen. Vor diesem Hintergrund ist es viel verlangt, mit jeder neuen ELO-Platte ein zweites "Evil Woman" oder "Mr. Blue Sky" einzufordern. Der größte Nachteil dabei: Man übersieht, dass die Veröffentlichungen aus Lynnes Spätphase mindestens Semi-Hits bereit halten - etwa das "From Out Of Nowhere-Highlight "Goin' Out On Me": Der perfekt getunte, melancholische 6/8-Rock enthält die Essenz der Rock- und Popballade des 20. Jahrhunderts.
"One More Time" mit kurzem Klassik-Interlude fährt einen lässigen Rock'n'Roll-Refrain auf, Lynnes alter Wegbegleiter Richard Tandy setzt sich dabei kurz ans Klavier. Das in der Grundrhythmik brasilianisch angehauchte "All My Love" bleibt hingegen unspektakulär - klingt gut, kennt aber weder Höhen noch Tiefen. Ein schöne Selbstreferenz liefert gegen Schluss "Time Of Our Life": Lynne textet über ELOs Auftritt vor 60.000 Fans im Londoner Wembley Stadion, der 2017 als "Wembley Or Bust" veröffentlicht wurde.
Ausladende Orchesterparts findet man bei ELO mittlerweile seltener. Was geblieben ist, sind diese teils mehrstimmig arrangierten und ganz speziell produzierten Vocals bzw. Chöre/Backing Vocals. Letztere verschmelzen gerne mit Synthies oder anderen Effekten - diese Technik macht einen Gutteil des Wiedererkennungswerts Jeff Lynnes aus.
Dennoch reichen die "From Out Of Nowhere"-Songs nicht ganz an die beiden Vorgänger heran. "Zoom" (2001) und "Alone In The Universe" (2015) warfen prägnantere Momente ab, etwa in Songs wie "When I Was A Boy", "The Sun Will Shine On You", "Dirty To The Bone" und "One Step At A Time" (alle "Alone In The Universe) oder "Alright", "Stranger On A Quiet Street" und "Easy Money" ("Zoom"). Lynne bleibt gleichwohl auf jeder seiner Platten ein Meister darin, bombastische Stücke erstaunlich kompakt klingen zu lassen.
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