laut.de-Kritik

Viel Platz zum Tanzen anstatt Platzhaltern ...

Review von

...und vor allem ein genialer Platt(z)entitel, der Raum lässt für einen Eröffnungstext voller Platt(z)itüden.

Für alle, denen der Name Jenny Thiele bisher nichts sagt, sei gesagt, dass sie über Jahre die zweite Stimme und noch viel mehr bei Fortuna Ehrenfeld (FE) war, bis sie sich selbst eine zweijährige Auszeit verordnete. Warum lässt sich nur mutmaßen, vielleicht weil Fortunas Kopf Martin zu raumeinnehmend ist. Dass sie bei der letzten FE-Tour dann wieder mit am Start war, bewog zumindest mich dazu, eine Karte zu kaufen.

Allerdings ist sie nicht erst seit ihrer Auszeit bei FE als Solomusikerin tätig, bereits 2012 erschien ihr erstes Soloalbum und sie war auch in mehreren anderen Projekten musikalisch äußerst präsent. Nach "Killing time" 2022 erscheint mit "Platz" nun ihr drittes Album, das sie auf einer kleinen Tournee jüngst auch live und solo als Support von Paul Sies performte.

Da sie auf dem Konzert die Songs mit Eloquenz und Humor anmoderierte und als Vortänzerin die (leider) überschaubare Gästeschar mit viel Verve anheizte, mag es das Liveerlebnis gewesen sein, das den Songs auf "Platz" einen hohen sehr angenehmen Wiedererkennungswert beim erneuten Hören beschert. Vermutlich ist es aber eher die Tatsache, dass Jenny und der Synthesizer ein paar wirkliche Kleinode erschaffen haben. Auch dass sie eine Stimme wie ein wärmendes Kaminfeuer hat, weiches einen einmummellullt, gereicht dem Album zu Qualität.

So weiß man beim fernwehdurchwehten "Nehmt Mich Mit" vom Konzert, dass es Weltraumschafe sind, die sie bittet, diesen Auftrag auszuführen. "BecherSahne" ist ein süßes kleines Liebeslied, das mir aus irgendwelchen Gründen die Titelmelodie des Achtzigerjahre-Cartoons "Dr. Snuggles" ins Hirn katapultiert.

Neben Songs zum Schwelgen arrangiert Jenny aber auch Songs, die IDM-Klanglandschaften Raum geben und mit Arrangements aufwarten, die einen hinter dem Ofenrohr der musikalischen Gemütlichkeitszone hervorholen. Das Arrangement von "Juli" ist vom Mars, und dieser Schnappatmer ein echter Aufhorcher.

Bis uns Jenny einem echten Diskomfort aussetzt, eine rauere Klangfläche in der Hook präsentiert, darf man bis zu "Wissn Muss" warten. Aber da ist es gut, La Roux lässt grüßen, "Burn On" bietet im Refrain Verzerrtes und deutliche Tempoerhöhung für tänzerische Kondenswasserbildung.

Überhaupt wird die zweite Hälfte der Platte ein wenig rauer, die "Wasserbombe" ist eine ebensolche, und "garkein#platz" ist ein Hybrid zwischen Xylophon, Reggae, Ambient und einer Hook mit noisigem Beigeschmack, La Roux lässt erneut grüßen.

Wie auch immer, fein ist der "Platz" allemal, allenfalls der Singleauskopplung (wie man früher die Songs nannte, die ein Video bekommen) namens "Dancer In The Blue" möchte man Seichtheit an den Kopf werfen. Zudem könnte man Jenny Thiele Naivität vorhalten angesichts der Schön- und Gutgeistigkeit von "Platz", aber dies wäre erstens bei jedem Menschen zynisch, und wenn man mit Jenny auch nur drei Worte gewechselt hat, weiß man, dass dieser Sinn für's schöne Friedliche exakt ihrem Wesen entspricht.

Trackliste

  1. 1. Nehmt Mich Mit
  2. 2. Dancer In The Blue
  3. 3. Radioempfang
  4. 4. Frieden
  5. 5. Juli
  6. 6. BecherSahne
  7. 7. Wissn Muss
  8. 8. Glühen
  9. 9. garkeinen#platz
  10. 10. Burn On
  11. 11. Burn On Outro
  12. 12. Wasserbombe

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