laut.de-Kritik

Electrofolk, der die Klischees von Mutterliebe gnadenlos seziert.

Review von

Für die Aufnahmen zu diesem Album ist Jesca Hoop aus dem verregneten Manchester in ihren Geburtsort gegangen und nahm "Stonechild" im sonnigen Kalifornien auf: Dem Klischee nach hätten nun luftige leichte Songs entstehen müssen, doch das fünfte Album der Sängerin und Songwriterin ist eine düstere sowie durchdachte Auseinandersetzung mit dem Thema (und Klischee) Muttersein geworden. Flankiert wird diese von sanftem Electropop und schrägem Folk.

Im Folk-Genre ist Mutterschaft seit jeher ein großes Motto, basieren doch viele Songs auf improvisierten Kinderliedern: Hoops Tracks sind dann auch eine Art Schlaflieder geworden, aber keine, die trösten, sondern solche, die die Alpträume der Mütter beschreiben und dort hingehen, wo kein Instagram-Bild inszenierten Elternglücks hingeht.

So singt Hoop eindringlich in "Old Fear Of Father" die ehrlich schmerzhaften Zeilen einer Mutter: "I love my boys more than I love my girl / She knows like I knew". Und weiter heißt es in dem Song, der den Sexismus mancher Frauen anprangert: "I'll shape and mold you so you can get the ring while you’re still pretty".

Produziert wurde dieser ernste, teilweise gespenstische reduzierte Electrop-Pop von John Parish, der bereits Alben von PJ Harvey oder Aldous Harding den letzten Schliff verpasste und diesen komplexen Texten hier einen oft fast zärtlichen Sound. Bereits der Titel "Stonechild" kündigt präzise von der harten Auseinandersetzung mit der Thematik, denn es spielt auf das Phänomen Lithopädie an. Ein so genanntes Steinkind ist ein Fötus, der während der Schwangerschaft verstirbt und im Mutterleib verbleibt. Über Jahrzehnte können diese unbemerkt bleiben.

Und so ist der Albumtitel die perfekte Umschreibung der Lyrics in nur einem Wort: Jesca Hoops Lieder kreisen um die Angst sowie den Terror, der versteinert hinter den Klischees von Mutterliebe lauert.

Trackliste

  1. 1. Free of The Feeling (Ft. Lucius)
  2. 2. Shoulder Charge (Ft. Lucius)
  3. 3. Old Fear of Father
  4. 4. Footfall to the Path
  5. 5. Death Row
  6. 6. Red White and Black
  7. 7. 01 Tear
  8. 8. All Time Low
  9. 9. Outside of Eden (Ft. Kate Stables And Justis)
  10. 10. Passage's End
  11. 11. Time Capsule

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Jesca Hoop

Das Leben auf Tour ist kein Zuckerschlecken. Füllt man nicht gerade die Stadien dieser Welt, muss man Vieles alleine bewerkstelligen. Für Jesca Hoop …

1 Kommentar mit 2 Antworten