laut.de-Kritik
Das Vermächtnis der großen Reibeisenstimme.
Review von Markus BrandstetterJoe Cocker war einer der großen und unverkennbaren Vokalisten der Rockmusik, die ewige Reibeisenstimme. Im besten Fall brachte er zentnerschweren, eruptiven Soul in Pop-Songs, zitterte, bebte und gestikulierte beim Singen, als würden seine Stimmbänder von elektrischen Stößen befeuert, er machte Songs von anderen zu seinen ureigenen Stücken (siehe "With A Little Help From My Friends") und drang spielerisch zum Blues-Kern der Lieder vor. Joe Cocker war ein britischer Soulrabauke, in seinen großen Zeiten - man denke an seinen Woodstock-Auftritt - ungestüm und beseelt.
Joe Cocker war aber auch der Schmachtfetzen-Raspler ("You Are So Beautiful", "Up Where We Belong"), der Soundtrack für kleinbürgerliche Striptease-Versuche ("You Can Leave Your Hat On"), das bisschen Rauheit auf Kuschelrock-Compilations. Stimmlich unverkennbar, musikalisch ab den 1980ern eher ein rotes Tuch für viele. Es war ihm vor seinem Tod im Dezember 2014 trotz erfolgreicher und geglückter Alben wie "Fire It Up" nicht vergönnt, noch einmal ein neues, jüngeres Publikum zu finden.
Weniger als ein Jahr nach seinem Tod veröffentlicht seine Plattenfirma nun eine (weitere) ausgiebige Best-Of, die einen Querschnitt von Cockers Werk zeigt. Die Compilation beginnt mit Stücken seines 1969 erschienenen Debütalbums "With A Little Help From My Friends" - "Feeling Alright" macht den Anfang, "High Time We Went" und "Marjorine" folgen, seine grandiose Version des Beatles-Klassikers "With A Little Help From My Friends" darf natürlich nicht fehlen - und auch Cockers Version von "Come Together" findet man auf dieser Compilation. Sein selbstbetiteltes Zweitwerk ist mit "Delta Lady", "Darling Be Home Soon" und "She Came In Through The Bathroom Window" vertreten. Vom Album "Unchain My Heart" (1987) gibt's den bekannten Titeltrack.
Auch bei Leonard Cohen hat sich Cocker ja öfters bedient - auf die Best-Of geschafft hat es seine Version von "First We Take Manhattan", mit "One" gibt's auch eine eher lauwarme Adaption von U2, auch "Summer In The City" darf natürlich nicht fehlen. Ein paar Live-Versionen hat man auch draufgepackt - so gibt es neben "You Are So Beautiful" (das auch als Studioversion enthalten ist) auch "Cry Me A River" sowie "The Letter", beide auf dem wunderbaren 1970er-Live-Album "Mad Dogs And Englishmen" erschienen.
Abgerundet wird diese Best-Of durch "Hard Knocks" vom gleichnamigen Album, das Cocker 2012 veröffentlichte, sowie von "I Come In Peace" und "Fire It Up" seines letzten Longplayers "Fire It Up". Und ganz am Ende, da bekommt man noch - der Dramaturgie wegen - das Lied "Performance" zu hören: "Your performance is almost over / When you're through I will take you home / You're a ghost that I can see, you're the other part of me / Now honey I will take care of you / 'Cause you know you've done your best / Now honey leave the rest to me and I'll take care of you", heißt es da.
Dass seine Plattenfirma, gerade zur Weihnachtszeit hin, eine Best-Of des verstorbenen Musikers auf den Markt bringt ist nicht verwunderlich, und bezüglich der Songs gibt es auch wenig zu meckern. Angesichts der vielen Greatest-Hits und Best-Ofs, die es von Cocker aber bereits gibt, wären geneigte Cocker-Afficionados, Gelegenheitshörer wie auch potentielle Neuentdecker aber sicher auch ohne eine weitere Compilation über die Runden gekommen.
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