laut.de-Kritik
Die Essenz der Sümpfe: Auch nach fast 60 Jahren immer noch cool.
Review von Philipp KauseJohn Fogerty war der Frontmann und Autor von Creedence Clearwater Revival und ist ein ausgeprägt politischer Typ. Sein Song "Lookin' Out My Back Door" sagt das bereits. Er handelt von der politischen Einmischung, den Blick aus der Hintertür – dem Rückzug ins Private – hinaus in die große weite Welt und zu den Dingen, auf die man Einfluss nehmen möchte. Dass ausgerechnet diesem Leftist nichts einfallen möge, um die heutigen politischen Verhältnisse in den USA zu kommentieren, das wirkt kaum plausibel. Er dürfte doch sicher etwas zu sagen haben zu Polizeigewalt, Gesundheitssystem oder Migration, etwas, das sich in neuen Songs niederschlagen könnte. Statt dessen legt er mit "Legacy: The Creedence Clearwater Revival Years" einen Aufguss sattsam bekannter Greatest Hits in neuen Aufnahmen vor.
Der Anlass ist die Auflösung eines lange währenden Traumas. Denn geschliffen pointierte, satirisch bittere Zeilen vernahm man in den 80er Jahren bereits von ihm, als er die Rechte an all seinen eigenen CCR-Liedern nicht besaß und sich deswegen mehrmals mit Manager Saul Zaentz vor Gericht beharkte. Ihm widmete er "Vanz Can't Dance" und "Mr Greed", zwei seiner besten Songs. Es folgte eine harte Zeit, in der seine Kreativität weitgehend erlosch und die er nur mit Hilfe seiner Frau Julie gemeistert habe, die ihm stets den Rücken stärkte und hier als Ko-Produzentin tätig war. Heute hat er nach viel Durchhaltevermögen endlich die Lizenzen erstmals selber. Zur Feier dieser neuen Verfügungsgewalt über den eigenen Output wollte John unbedingt dieses Retro-Album machen.
Mit neuem Material zog der Woodstock-Veteran zuletzt kaum noch vors Publikum. Okay, die Leute wollen natürlich auch die uralten Hits hören wie "Have You Ever Seen The Rain" oder "Bad Moon Rising". Ich habe Fogerty 2010 beim Münchner Tollwood gesehen und dort festgestellt: Es geht auch mit geringer(er) Hit-Dichte. John und seine damalige Band spielten einfach sehr gut, egal was. Den Schulterschluss mit der jüngeren Generation ging Fogerty bereits 2013 ein, auf der Americana-LP "Wrote A Song For Everyone", der letzten Platte, auf die ein paar Monate später die Todesmeldung des einstigen Widersachers Zaentz folgte (von seinem Reichtum hatte der Manager wohl in fortgeschrittener Alzheimer-Demenz nicht mehr so wirklich etwas). Bereits damals kristallisierte sich heraus, dass das Neueinspielen alter Hits bei Mister Creedence Clearwater für wenig Überraschung sorgt, selbst wenn inspirierende Gäste mit Hand anlegen.
Auch auf "Legacy" ist das jetzt nicht anders: Viele Songs spielt John mit seinen Verwandten - zum Beispiel seinen Söhnen Shane und Tyler - und Freunden lediglich eins zu eins herunter, kurz und schmerzlos, kompakt und knapp. Ein Wiederhören gibt es praktisch mit allen nennenswerten seiner Hits. Die Tochterfirma von Herausgeber Concord Records, die renommierte Fantasy, mit der er einst im Clinch lag, erwähnt man auf dem Tonträger tunlichst nicht. Zu traumatisch sind die Erinnerungen des damals blutjungen Musikers, der frisch aus dem Grundwehrdienst entlassen, in seinen ersten Plattenvertrag hinein gestolpert war und nicht so genau gelesen hatte, was er unterschrieb. Die Spielfreude blieb ihm aber erhalten, bis ins hohe Alter. 80 wurde er im Mai.
Was besonders heraussticht und doch ein bisschen anders klingt, als man es in Erinnerung hat, sind die Titel "Born On The Bayou" und "Long As I Can See The Light". Mit Vocals zwischen Jazz-Erhabenheit und Soul-Expression sowie viel Saxophon-Power bekommt "Long As I Can See The Light" deutlich mehr Farbglanz ab, als gewohnt. Bei "Born On The Bayou" lädt Fogertys Ensemble ordentliche Portionen Psychedelic und Blues ab und vertieft sich in einen Instrumental-Teil. So erhält man einen tiefgehenderen Eindruck von der Sumpf-Essenz, die in diesem Song gemeint ist, als in bisherigen Aufnahmen.
Um eine Snapshot-Postkarte von der harten körperlichen Arbeit in den Südstaaten, den Gesetzen des Stärkeren, der Armut und Rückständigkeit in der Peripherie zu bekommen, betont die Band den Lokalkolorit von Louisiana, Tennessee oder Mississippi, im Genre bezeichnenden Bayou-Rock "Born On The Bayou". Swamp-Rock nennt man das auch, charakteristisch ist ein dumpfer, bassiger Sound. Auf der Bühne symbolisierte Fogerty diese Regionen in den Südstaaten gerne mit einem Hut und den Band-Personas Blue Ridge Rangers, zuständig für Recht und Ordnung in den umwaldeten Gegenden der Mangrovensümpfe. Tatsächlich hatte John Nummern wie diese kurioser Weise schon verfasst, als er den Mississippi noch nie gesehen hatte. Nur aus seiner Vorstellung und jugendlichen Begeisterung für die dortige Kultur entstanden die typischen Songs zum Thema, und die sind - zugegeben - so wenig frei von Klischee, wie wenn ein Hamburger Gedichte über den Genfer See zum besten geben würde.
Es gibt ein angenehmes Wiederhören mit der tollen Melodie von "Porterville" über einen Ort, der ausnahmsweise in Fogertys Heimat Kalifornien liegt, wo sich auch "Lodi" befindet, selbst wenn der Songwriter sich dort nur hin imaginierte und dann nie dort gewesen sein soll. "Lodi" ist ein Song über mittellose Bands auf Tour, ebenso wie das autobiographische desillusionierende "Travelin' Band". Das nachdrücklich schiebende, peitschende "Run Through The Jungle", das sofort Bilder von G.I.s im Vietnamkrieg vor Augen ruft ("two hundred million guns are loaded / Satan cries"), strahlt zeitlose Wucht aus. Das dynamische und rhythmusstarke "Up Around The Bend") und der schunkelige Boogie-Country "Down On The Corner" halten fraglos das Level.
In Erinnerung ruft uns das Album auch verblasste Songs wie "Bootleg" mit der beschwörerischen Lautmalerei "voolee voolee", einer von mehreren mit einer Susi im Text, und schließlich ist Fogerty der Autor des weltweiten Tina Turner-Krachers "Proud Mary" über einen ächzenden Raddampfer auf dem "Green River". Insgesamt werden hier also Erinnerungen wach an Musik, die im Schnitt 56 Jahre alt ist und sich doch sehr gut gehalten hat. Die Songs sind immer noch spitze, doch was sie nun zu 'John's Version' macht, wie der CD-Untertitel lautet - das wird nicht so ganz klar: Sie klingen einfach wie immer.
1 Kommentar
Ich mag die Original-Versionen lieber. Es ist alles nett gemacht und auch dass seine Söhne mitspielen usw.
Aber irgendwie fehlt mir soundtechnisch das "Alte", auch wenn man sehr viel aufgefahren hat um das hinzubekommen.
Die damalige Band hat so einen warmen Sound geschaffen, das war nicht John F. alleine.
Born on the bayou klingt anfänglich wirklich wie das Original, jedoch auch wieder zu "klar" in der Mitte... Swamp Rock als Umschreibung... i like!
Das psychedelistischste Stück von CCR fehlt, Suzie Q (isn Cover ich weiß)
https://www.youtube.com/watch?v=Bs99a-5vgA…
Der King vom Swamp-Rock (GTA san andreas Spieler erinnern sich vllt.)
https://www.youtube.com/watch?v=n7GyLr7Cz2…