laut.de-Kritik

Eine spannende Momentaufnahme, die Lust auf mehr macht.

Review von

Jorja Smith zeigt sich auf ihrem Debütalbum als sehr nachdenkliche junge Frau. Für 21 Jahre klingt ihre Stimme schon schrecklich erwachsen und geht durch Mark und Bein. Trotz einer gewissen Schwermut macht ihr pop-gespicktes Soul-Songwriting einfach viel Spaß.

Dazu trägt nicht nur Smiths wunderschöne und charakteristische Stimme bei, sondern auch eine hervorragende Produktion. Ein Exzellentes Beispiel hierfür: "Where Did I Go?". Jazzige Klavierakkorde, gedämpfte, bassige Backbeats und ein klarer Schlagzeug-Beat bilden eine simple und doch mitreißende Mischung. Dazu besingt die Britin mit einer Prise Melancholie das Scheitern einer Beziehung und die Verwirrung danach. Die Lyrics "Where did I go? / When did I realize" spiegeln dabei wunderbar den Albumtitel "Lost & Found" wider.

Wie bei so vielen Songs auf der Platte, bekommt man den Eindruck, Smith reflektiere ihre Vergangenheit und vertont ihre jugendliche Naivität in Kombination mit den Schlüssen, die sie aus ihren Erfahrungen gezogen hat. Dazu gibt es interessante, frische Melodien und Rhythmen. So gehört auf "Wandering Romance". Hier besticht vor allem der tiefe, mystisch klingende Gesang im Refrain, der zum düsteren Sound beiträgt. Ein harter R'n'B-Beat verwandelt den Track trotzdem in einen Kopfnicker.

Auch "Teenage Fantasy" steigt nachdenklich ein: "You weren't the boy I thought I knew / Maybe I was blind, I was young, I didn't have a clue" singt Smith enttäuscht. Trotzdem vermittelt der Song keine Reue. Vielmehr reflektiert die Sängerin, wie Teenager mit ihren Beziehungen oft unrealistischen Illusionen nachjagen, nur um dazuzugehören. Sanft und atmosphärische Klaviertöne sowie Synths untermalen dies nachdrücklich. Nur einzelne Lyrics wie zum Beispiel "Life is a big old ride / sit back and enjoy the vibe" kommen leider ein bisschen platt und wie Kalendersprüche daher.

Zum Abschluss des Albums reiht sich eine Ballade an die nächste. Sehr persönlich wird Smith auf "Tomorrow". Ein Klavier und ätherische Hintergrundgesänge begleiten sie zunächst nur sehr zurückhaltend, sodass ihre Stimme mit erstaunlicher Rohheit und Verletzlichkeit glänzt. Mit den ganz hohen Tönen drückt sie ihre Unfähigkeit aus, sich von einer Person zu trennen, die immer für sie da war.

Neben ganz persönlichen Anliegen und Beziehungen thematisiert sie auf "Lost & Found" aber auch Gesellschaftskritik. Auch wenn man das bei dem wohl am beschwingtesten klingenden Track "Lifeboats (Freestyle)" nicht vermuten würde. Smith greift hier das Thema von Lauryn Hills "Mystery Of Iniquity" textlich und inhaltlich wieder auf und fragt sich, wie es sein kann, dass Reichtum und Egoismus die Gesellschaft spalten. Der Boom Bap-Beat und die entspannten Gitarren-Sounds stammen vom britischen Prouzenten Tom Misch.

Das ganze Album steht im Zeichen der Weiterentwicklung und des Ok-seins damit, nicht am Ziel zu sein und es vielleicht nie zu erreichen. Statt nach Perfektion zu streben, setzt sich Smith auf ihre eigene Art und Weise mit verschiedenen Emotionen auseinander und wirft mindestens genauso viele Fragen neu auf, wie sie beantwortet. Eine Momentaufnahme, die Lust macht, die Musikerin im Auge zu behalten, um mitzubekommen, was sie als nächstes angeht.

Trackliste

  1. 1. Lost & Found
  2. 2. Teenage Fantasy
  3. 3. Where Did I Go?
  4. 4. February 3rd
  5. 5. On Your Own
  6. 6. The One
  7. 7. Wandering Romance
  8. 8. Blue Lights
  9. 9. Lifeboats (Freestyle)
  10. 10. Goodbyes
  11. 11. Tomorrow
  12. 12. Don't Watch Me Cry

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