laut.de-Kritik
Ein Album, das seinesgleichen sucht.
Review von Anastasia HartleibFür alle, die es beim Titel von "40 Acres N Sum Mula" noch nicht verstanden haben, erklärt JuJu Rogers es nochmal: Dieses Album sei als eine eindringliche Forderung nach Gerechtigkeit und Gleichberechtigung zu verstehen. Ein für alle Zeiten errichtetes Mahnmal für seinen Beitrag zum Kampf gegen die Unterdrückung.
Es ist ein, vorsichtig formuliert, ambitioniertes Ziel, das sich JuJu da setzt. Aber dazu später mehr. Zuvorderst steht nämlich eine Huldigung aus: "40 Acres N Sum Mula" ist musikalischer Next-Level-Shit. Das Album klingt deutlich zeitgemäßer als noch "From The Life Of A Good-For-Nothing", JuJus Erstling, mit dem er reihenweise zweifelnde Rap-Herzen wieder zum Schlagen gebracht hat. Aber trotz trappiger Einflüsse, die meist eher den Eindruck von Schnelllebigkeit vermitteln, haftet "40 Acres" die Ahnung an, dass es einen auch in zehn, zwanzig Jahren noch genauso mitnimmt.
Die Produktionen brauchen keine Schublade. Sie haben genügend Raum für harte Rap-Verse und weichen Singsang, große Emotionen und nischige Verspieltheiten. Jazz, Soul, Blues, Hip Hop und Afrotrap vermischen sich zu einem einzigartigen Elixier mit beinahe hypnotischer Wirkung. Die warmen Drums errichten das passende Grundgerüst für den melancholisch-neugierigen Sound, der an den richtigen Stellen kälter und härter oder wärmer und optimistischer wird.
Die Kunstfertigkeit JuJus, in harmonisch ergänzender Weise die Beats zu lenken und ihnen gleichzeitig freien Lauf zu lassen, grenzt schon fast an Perfektion. Er wechselt spielerisch Takt und Rhythmus, baut durch den Wechsel von Singsang und Rap eindrucksvolle Dynamiken, die ihresgleichen suchen. Er kann bedrohlich und einfühlsam, verletzlich und wütend, ohne dabei auch nur eine Spur Authentizität einzubüßen. Es wird schwer fallen, im Jahr 2019 noch ein Album zu finden, das da mithalten kann.
Und doch zwickt etwas an diesem Meisterwerk. Wie der unauffindbare Stein im Schuh, der die Herrlichkeit eines sonst erinnerungswürdigen Sommertags mindert. Das Sandkorn im Getriebe, sozusagen. Und das liegt in dem Versuch, sich ein eigenes Mahnmal zu errichten.
Um es vorwegzunehmen, ich möchte mir hier keinesfalls anmaßen, den Kampf von Menschen zu bewerten, die täglich mit Diskriminierung konfrontiert sind. Auch wenn es auf den ersten Blick leicht fällt, Vergleiche zu ziehen und Umstände gleichzusetzen, sind sie es niemals. Jeder Mensch bestreitet jeden Tag seine eigenen Schlachten, die man nie ganz verstehen können wird, sondern nur anerkennen kann. Ich möchte allerdings anmerken, dass es zu Trugschlüssen kommen kann, wenn das eigene Leben zum Monument stilisiert wird.
"40 Acres N Sum Mula" entpuppt sich weniger als allgemeingültige Forderung, sondern eher als persönliche Ab- und Aufarbeitung. Das Album zeigt JuJus eigenen Weg, vom "not different, but special"-Kid, das zur Zeit einige Dämonen heimsuchen, wie es scheint. Er wandelt sich vom "educated fool" in "89" zum "miseducated and denied Ju", der in "Mula" fast schon zynisch klingt, wenn er Verse rappt wie "Astound you thought I'd leave withoug money in my trousers".
Und der Engstirnigkeit zeigt, wenn er in "Real Shit" seine Musik gegenüber anderen aufwiegt: "My art is supreme / all of your art has no meaning / all of your art is in order with evil." Hieß es auf "From The Life" noch "I'm in it for the love", heißt es jetzt "don't tell me 'bout your orgies on your party weekend / tell me how I get involved with the business where the margin's decent".
Auch "Follow Me", das mit seiner musikalischen Zweiteilung die Verführung durch Seelenkäufer der Industrie durch JuJus eigenen Gewissenskompass abwehren soll, kommt nicht ohne die eigene Erhöhung durch die Herabsetzung anderer aus: "I'd rahter change a Niggas life like I'm Maury / all these artists boring, alarming, harming to my soul."
Hinzu kommt, dass sich JuJu selbst mehrfach als eine Art Heilsbringer beschreibt, als "defendant of the truth" und sich selbst als Erlöser vorschlägt, wie in "Babylon": "Berlin Babylon / make me feel like Jah to come / or whatever leader you need to get free / maybe that's me?" Gleichzeitig scheint aber einzig und allein das System für alle Ungerechtigkeiten schuldig zu sein, dem man eigentlich nur teilweise zustimmen möchte. Das ist zu einfach.
Es sind jeweils nur kleine Teile dieses sonst wirklich kunstvollen Albums, die die Euphorie etwas bremsen. Ein fader Beigeschmack, der Songs wie "Identity" oder "God", auf dem Sampa The Great die perfekte Ergänzung bildet, keinesfalls ihre Wirkungsmacht nimmt. Der Verse wie "black man born in the West / they say I'm a guest and that's messed" nicht weniger richtig, die emotionale Aufrichtigkeit "Black Thurzday (Feat. Sanó)" über Depression nicht weniger wichtig macht.
JuJu Rogers ist und bleibt ein Ausnahmekünstler, der lyrisches Talent und musikalisches Gespür auf eine einzigartige Weise vereint. Auch wenn "40 Acres N Sum Mula" vielleicht nicht ganz die eigenen Ansprüche erfüllt, so ist es doch mindestens eine Manifestation seines Talents. Man muss kein Prophet sein, um große Dinge zu erreichen.
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