laut.de-Kritik
Mit Damon Albarn zurück ins Leben.
Review von Rinko HeidrichEin eigenes Haus in der schönen Natur von Island, glücklich verheiratet und zwei Kinder. Und doch verlor Kaktus Einarsson die Kontrolle über sein Leben, als er auf einer Vernissage seines Vaters plötzlich eine Art Nervenzusammenbruch erlitt, der sich später als funktionale Nervenstörung herausstellte. Es folgte eine Zeit der langsam Regeneration.
Auch das zweite Soloalbum "Lobster Coda" diente der Verarbeitung dieses einschneidenden Lebensereignisses. Einarsson musste erst einmal verstehen, was überhaupt passiert war. So beginnt das Album mit dem seltsam kühlen Titeltrack, der eine traurige Seelenlandschaft abbildet. Es ist kalt und dunkel dort, unwirklich und fernab jeder Empfindung von Freude. Wer schon mal eine Depression erlebt hat, dürften den kalten Industrial-Ambient nachfühlen können. Der Anfang einer langen Reise, die Einarsson wieder zurück in das Leben führt.
Besonders zu Beginn vermittelt das Album eine fragile Verletzlichkeit. Auch "Daze Gold" klingt nach einem Menschen, der sich seiner Sicherheit beraubt fühlt. Ein minimaler Synth-Pop, der sich in sich selbst zurückzieht. Nur langsam gewinnt der Protagonist wieder die Kontrolle über den eigenen Körper zurück. Eine erschreckende Erfahrung, wenn die Psyche auf ein Notfallprogramm herunterfährt.
Rückblickend sieht der isländische Künstler diesen Moment aber ajuch als heilsam an, wie er im Interview verrät. Dennoch entstand ein überwiegend melancholisches Album, dessen Schwere sich gleichwohl zunehmend verflüchtigt, etwa dank des leichten Disco-Vibes von "Be This Way". Gemeinsam mit der Of Monsters And Men-Sängerin Nana schimmert ein bisschen der Post-Punk Einarssons vorheriger Band Fufano durch, trotzdem vernimmt man auch leise den Pop Gotyes und seines Welthits "Somebody I Used To Know". Ein spannender Seltsam-Pop, bei dem offen bleibt, ob es nun bedrückt oder doch leicht entrückt-fröhlich zugeht.
Für eine warm-kuschelige Atmosphäre sorgt "White Burn", ein luftiges Easy Listening-Lied zwischen Burt Bacharach und Air. Die Kehrtwende, mit der Einarsson der Dunkelheit in seinem Leben den Rücken zuwendet und deren Tempo und Stimmung immer mehr in Richtung Hoffnung anschwillt. Ein Sieg über eine Dunkelheit, die anfangs noch unendlich schien. "It don't burn away my love": Der Isländer weiß, wie ihm die Liebe zu sich selbst, die Liebe zu und von anderen Menschen zrückhilft.
Und wenn man einen Kumpel hat, der einfach mal Damon Albarn heißt, kann man sich über ein im Grunde genommen doch gutes Leben freuen. Die Zusammenarbeit mit dem Blur-Sänger, den er praktisch schon seit ganzes Leben kennt, bildet der exzentrische Abschluss der Platte: "Gumbri". "I start to feel where my life needs to go" singen beide, und eigentlich könnte auch der notorisch schwermütige Damon mal wieder Licht in seinem Leben gebrauchen. "Lobster Coda" stellt eine Mut machende Anleitung dar, um durch eine dicke Eisschicht wieder an die Oberfläche zu gelangen.
Noch keine Kommentare