laut.de-Kritik
Der Bass Italo-diskotizert, es raschelt und ding-dongt.
Review von Philipp SchiedelNach einem Song von Marianne Faithfull benennt Kaos seinen neuesten Output. Die Referenz ist gut gewählt, denn genau wie die vollbusige Grand Dame des Groupietums auf ihren letzten Veröffentlichungen, versammelt auch der alte Terranova-Spund eine Schar von Musikern um sich, mit denen sich gut produzieren, und noch besser namedroppen lässt. Und wie so oft ist das Ergebnis dann doch nicht der große Wurf geworden, den die namhafte Gästeliste vielleicht vermuten lässt. Denn Kaos und Freunde begehen einen schwerwiegenden Fehler: sie reiten zu sehr auf alten Ideen herum, anstatt sie mit neuen Geistesblitzen anzureichern.
"Hello Stranger" zielt treffsicher in das musikalische Mekka New York, und dort exakt in die Schnittmenge des heißen Scheiß' aus The Rapture und Metro Area. Der Bass italo-diskotizert also lässig und geht nach vorne, es raschelt und ding-dongt ordentlich in der hinteren Percussion-Abteilung und natürlich funkt es krächzend aus allen Ecken.
"Now And Forever" - der großartige Hit der Platte wäre auf jeder bisherigen Rapture-Veröffentlichung nicht weiter aufgefallen. Alles ist vorhanden: die obligatorischen schrägen Gitarren, die Percussions und das Geschrei eines Eunuchen. Mit Hilfe von Boy From Brazil, Electrocute und Daniel Wang vereint Kaos im knalligen "My Reputation" die Energie der Girl-Power sehr stimmig mit den üblichen DFA-Kuhglocken, während das achtminütige "Feel Like I Feel" zusammen mit Matt Safer von The Rapture nett in schwülstigen Disco-Klängen um die heißen Hüften groovt. Auch die Arbeiten mit Captain Comatose im dunklen Elektro-Rocker "Boogie Boy" und Kaos' verspielte Eigenproduktion "Bang The Box" können im New Yorker Hybrid aus Disco, Funk und Rock-Kontext überzeugen.
So offensichtlich die Einflüsse von New Yorker Bands hier auch zu hören sind, so ist "Hello Stranger" im Grundsatz eigentlich ein Berlin-Album. Bis auf Mattie Safer und Jason Friedman wohnen alle beteiligten Musiker in der Hauptstadt. Aber was ist das für ein Berlin, das wie nach New York klingt? Sicherlich ein durchaus solides, aber nicht sehr eigenständiges. Diese Platte zeigt somit glasklar, wer auf der Achse Berlin-New York die Nase vorn hat.
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