laut.de-Kritik

Weltfrieden durch Freibad-Pommes.

Review von

Die Mitte des Lebens ist eine seltsame Zeit. Zum Sterben zu jung, für die große Revolution zu alt. Wie tröstend kann es da sein, in Erinnerungen zu schwelgen und die Vergangenheit zu glorifizieren. Im Fall von Kapelle Petra sind das die goldenen 90er, das sowieso allerbeste Jahrzehnt, wenn man von Eurodance und dem Schlagerrevival absieht. Die Songs auf "Hamm" sind durchdrungen von einer Mischung aus Melancholie und Nostalgie, die auf die gute alte Zeit zurückblickt. Dabei betrachten Kapelle Petra die Erinnerungen mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Die Musik wechselt geschickt zwischen eingängigen Melodien und nachdenklichen Klängen, wodurch die Hörer:innen in Wilder Maus-Manier Höhen und Tiefen des Lebens durchspielen. Kapelle Petra verstehen es dabei, ihre subjektiven Eindrücke so zu verpacken, dass sie die Erinnerungen des kollektiven Gedächtnisses triggern. Ob es das schmerzende "was wäre wenn"-Spiel in "Auf Null" ist, oder die ehrliche Liebeserklärung einer reifen Person in "Niemand Ist Schöner". Die Lyrics treffen immer mitten ins Herz.

"Hamm" katapultiert uns auch zurück in die Freibadsaison 1994, als das Leben noch leicht und die Musik noch gut war. Und kein Problem der Welt, das nicht mit einer Pommes Rot-Weiß, in die das Chlorwasser aus den nassen Haaren tropft, gelöst werden konnte. Die Sehnsucht nach der unerträglichen Leichtigkeit der Jugend, deren Wert man als Teenager nicht umreißt und sich später so sehr zurück wünscht, transportieren Kapelle Petra nicht nur in "Freibad Pommes", sondern auf der ganzen LP. Untermalt von leichtfüßigen Melodien und eingängigen Gitarrenriffs sind die Sommerhits des Jahres 2024 jetzt schon geschrieben.

Neben der ganzen Lobhudelei auf die schönen Dinge des Lebens, verschließen Kapelle Petra ihre Augen aber auch nicht vor den alltäglichen Problemen und den Pferdefüßen, denen man sich als empathischer, denkender Mensch stellen muss. Dazu passt die Gesellschaftskritik als zentrales Element des Albums. Kapelle Petra scheuen sich nicht, aktuelle Themen anzusprechen, und setzen dabei ein klares Zeichen gegen den Rechtsruck in Deutschland. Denn eines ist sicher, sie schreiben "Keine Lieder Für Böse Menschen". Die durchdachten Texte fordern zum Nachdenken über die gegenwärtige soziale und politische Lage auf und das ist auch gut so, denn Spaßpunk sollen mal schön die anderen machen, hier geht es um Substanz.

"Hamm" ist nicht nur ein verdammt gutes Album, sondern auch eine zeitlose Reflexion über drei Jahrzehnte Bandgeschichte. Das neunte Studioalbum zeigt die Reife und Vielseitigkeit einer Band, die sich selbstbewusst in der Musikszene bewegt. Die Tour ist nahezu ausverkauft, mehrere Venues wurden in größere Hallen verlegt. Der endgültige Durchbruch? Zum Greifen nahe. "Hamm" klingt nach, "Hamm" schindet Eindruck.

Kapelle Petra beweist, dass sie eben nicht nur eine weitere, belanglose Indieband ist, sondern eine Gruppe, die sich mutig gesellschaftlichen Herausforderungen stellt und dabei eine beeindruckende musikalische Reife offenbart. Mit diesem Album stehen den Musikern alle Türen offen.

Trackliste

  1. 1. Mittelmäßiges Leben
  2. 2. Nicht Alleine
  3. 3. Freibad Pommes
  4. 4. Es War Nicht Alles Schlecht
  5. 5. Auf Null
  6. 6. Keine Lieder Für Böse Menschen
  7. 7. Das Lachen
  8. 8. Wann Ist Wieder Samstag
  9. 9. Zwischending
  10. 10. Alle Dumm
  11. 11. Hör Nicht Auf
  12. 12. Niemand Ist Schöner Als Du

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