laut.de-Kritik

Der Protagonistin der Generation Z fehlt nur der letzte Schliff.

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In der Slowakei gilt Karin Ann schon einige Zeit als eine der Stimmen der aufstrebenden Generation Z. Die Sängerin, die ihre Musik als Teil des Alternative-Trap sieht, will enttabuisieren und authentisch die nötige Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse und Probleme der Jugend generieren. Ihre erste EP "Lonely Together" meldet nun nach einigen zuvor in Muttersprache veröffentlichten Songs erstmals mit englischen Texten internationalen Anspruch an.

Die offensichtlichen Parallelen zu Weltstar Billie Eilish sind dabei musikalisch wie ästhetisch kaum zu übersehen - und sollen sie auch gar nicht. Ob das am Ende hilft, bleibt die andere Frage. Denn bei all den Überschneidungen mit Billie und vielen anderen aufstrebenden Gen-Z-Künstler*innen ist es nicht gerade die leichteste Aufgabe, aus dieser Masse hervorzustechen.

Im Dance-Pop-Opener "FUN" lässt Ann zumindest musikalisch nach kurzer Zeit auch bereits den "Bad Guy" heraushängen und liefert direkt die erste stilistische Hommage an ihr Vorbild. Man könnte an manchen Stellen sogar meinen, der Song sei der Zwilling von Eilishs Welthit. Als Queer-Hymne ist der Track auf lyrischer Ebene gleichzeitig der Auftakt einer Achterbahnfahrt, die sich durch die gesamte EP zieht und bei verschiedensten persönlichen Thematiken Halt macht.

So auch in "I Yearn For Agony", dessen Produktion wie bei den restlichen Songs von Matt Schwartz (Halsey, YUNGBLUD, Massive Attack) und dem slowakischen Produzenten Tomi Popovič stammt. Obwohl das Instrumental auf den ersten Blick sehr uninspiriert und eintönig klingt, untermalt es gerade deshalb Karins dunkle Reflexion ihrer früheren psychischen Belastungen und die damit verbundene, geistige Enge.

Wie schon bei beiden Tracks zuvor fallen auch im R'n'B-angehauchten "Midnight Calls" sofort wieder das Spiel mit Vocal-Modulationen auf, das sich immer mehr zu einem nuancierten Stilmittel entwickelt. Dazu gesellen sich sich im Chorus massive Bläser und ein quirliger Lead-Synth. Dennoch fehlt immer noch ein richtiger Wow-Moment. Auch wenn man Ann den Inhalt ihrer Musik abkauft, wirken die ersten Songs nicht sonderlich inspiriert und auch austauschbar.

Glücklicherweise bessert sich dieser Umstand. Der einzige Featuresong der Tracklist, "Sociopathic", gemeinsam mit Macca Wiles, lässt Ann in der Gegenwart ihres Gasts im Mischmasch aus Pop, Rock und Trap auf Hochtouren laufen. Auch "3AM" zeigt mit eingängiger Hook, Trap-Beats und den Schmerzen einer toxischen Beziehung, weshalb er bereits vor Veröffentlichung der EP für Anns ersten Meilenstein sorgte und die Sängerin in die Radios verschiedenster Länder brachte.

Den Abschluss des starken Trios bildet "Babyboy". Der Song überrascht mit harten, beißenden Drums und sorgt für Abwechslung in der abermals an Billie erinnernden Soundlandschaft. Beim letzten Song "Reflection" reduziert die Sängerin das Arrangement lediglich auf eine Akustikgitarre, vereinzelte atmosphärische Synth-Sounds sowie Background-Harmonien, um ihren Gedanken über die Schwierigkeiten der Selbstakzeptanz die volle Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Auch hier erinnern die Vocals an das Vorbild aus Amerika.

Trotz der ambitionierten Songs in der zweiten Hälfte klingt die Slowakin künstlerisch noch nicht wirklich eigenständig, die Nähe zu Eilish ist zu auffällig. Dennoch finden sich Anhaltspunkte in Musik und gerade ihrer Persönlichkeit, die darauf schließen lassen, dass sie so schnell nicht wieder von der Bildfläche verschwinden wird. Mutig, entschlossen, zielstrebig, authentisch und kampfbereit sind Adjektive, die in den Sinn kommen. Auch wenn musikalisch noch Luft nach oben ist, beweist sich die Slowakin schon jetzt als wichtiges Sprachrohr und Aushängeschild einer Generation, die die Welt bald erobert und hoffentlich zu einem besseren Ort machen wird.

Trackliste

  1. 1. FUN
  2. 2. I Yearn For Agony
  3. 3. Midnight Calls
  4. 4. Sociopathic
  5. 5. 3AM
  6. 6. Babyboy
  7. 7. Reflection

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