laut.de-Kritik
Exzentrisch, irritierend, schön: Kate Bush singt über den Schnee.
Review von Martin LeuteKate Bush gehört zweifellos zu den ambitioniertesten Künstlerinnen im Musikgeschäft. Seit ihrem Debüt "The Kick Inside" (1978) glänzt sie mit ihrer betörenden Stimmgewalt und einem Musikverständnis, das mit großer Experimentierfreudigkeit das traditionelle Popformat immer wieder unterläuft.
Auf "50 Words For Snow" wartet die 53-Jährige nun erstmals seit ihrem 2005er-Album "Aerial" wieder mit neuen Songs auf, die ihren Ruf als Pop-Exzentrikerin untermauern. Diesmal schöpft sie aus dem weiten Themenfeld des fallenden Schnees und fordert den Hörer mit einem konzeptionellen Werk heraus, dessen sieben Songs allesamt die Laufzeit von sieben Minuten überschreiten.
Im Opener "Snowflake" fallen weiche Pianoschläge wie Eiskristalle von Himmel, im Hintergrund suggeriert ein leiser Klangteppich die der Jahreszeit angemessene Kälte. Neben Bushs unaufgeregtem Sprechgesang ist ihr 13-jähriger Sohn zu hören, der mit gespenstisch-schönem Knabengesang den Weg der Schneeflocke zur Erde besingt.
So langsam und leise wie der Schnee fällt, so inszeniert Bush auch ihre musikalischen, bisweilen ätherischen Wintergemälde, indem sie weitgehend auf Reduktion und Behutsamkeit setzt. Neben ihrem wunderbaren Gesang prägt das sanfte Klavierspiel die Platte, weiches Schlagzeugspiel und Streicher bereichern die andächtigen Arrangements.
Während hier ein sakral anmutender Chor seinen anmutigen Eindruck hinterlässt ("Lake Tahoe"), bahnt sich dort ein Schlagwerk mit jazzigem Rhythmus seinen Weg durch den bedrohlichen Nebel ("Misty"). Daneben überrascht Elton John als Bushs Duettpartner, um gemeinsam dem frostigen Ambiente, das vom Scheitern der Liebe kündet, mit zunehmendem Aufbegehren und zärtlicher Melodik entschlossen entgegen zu treten ("Snowed In At Wheeler Street").
Mit "Wild Man" bricht Kate Bush die getragene, kammermusikalische Atmosphäre erstmals auf und flirtet freizügig mit dem Pop. Sie intoniert ihre mit Sprechgesang vorgetragene Erzählung vom sagenumwobenen Yeti zu einem tapsig hüpfenden Synthie-Lauf, dichter Instrumentierung und von Männerstimmen vorgetragenem Refrain. Mit dem anschließenden skurrilen Titeltrack erreicht Bushs Exzentrik schließlich ihren Höhepunkt, wenn sie Gastredner Stephen Fry im tribal-artigen Ambiente vehement aufordert, 50 Synonyme für Schnee aufzuzählen.
Mit dem letzten Track "Among Angels" hält die Besinnlichkeit wieder Einzug und Bush verlässt sich mit Pianobegleitung und unauffälliger Melodie ganz auf die Eindringlichkeit ihrer Stimme.
"50 Words For Snow" ist ein unkonventionelles Album, dessen Schönheit aus der Stille jenseits des Mainstream entspringt. Es ist ein gleichermaßen irritierendes wie berauschendes Album, das die ganze Aufmerksamkeit des Hörers fordert. Kate Bush versteht es dabei blendend, ihrem musikalischen Wagemut eine harmonische Wärme einzuverleiben. Dem Winter ringt sie mit diesen Songs seine schönste Seite ab.
12 Kommentare
Kate Bush, PJ Harvey, Tori Amos, Björk.
Die vier großen, majestätischen, dieser Welt entrückten Ausnahmekünstlerinnen.
Und alle haben sie dieses Jahr ein oder zwei Alben veröffentlicht. Aber eigentlich darf man drei von vier doch gar nicht mehr mögen, oder hab ich die Kritiken und Rezensionen falsch gedeutet? Björk wiederholt sich und ist anstrengend, Tori Amos steht auf Photoshop und Botulinumtoxin, Kate Bush altert und legt Songs neu auf.
Nee mal im Ernst, ich finds gut dass hier nicht ewig auf die unfassbare Großartigkeit von Kate eingegangen wurde, und wie viele Künstler sie beeinflusste. Macht lieber mal einen Meilenstein zu The Dreaming, da kann dann liebend gern erwähnt werden, dass eigentlich eh jeder nur Kate Bush nachmacht.
Oh ups, das Album. Ja das Album ist nett. Snowflake gefiel sofort, Lake Dingsda fand ich unerträglich. 50 Words for Snow ist mein Favorit im Moment.
Unglaublich gutes Album. PJ, Tori und Björk sind vergleichbar, es kommt aber keine dieser 3 mit ihren Releases im Jahr 2011 an "50 Words..." ran. Eins der drei, vier überragenden Alben dieses Jahr und das Beste von Kate seit "Hounds of Love".
finde nicht, dass es pj harveys album übertrifft. aber verdammt gutes material ist es schon.
huch, bis jetzt gar nicht mitbekommen, scheint ich werde alt (wie kate), sofort mal bestellen, und ja, Cvalda hat recht, The Dreaming sollte Meilenstein werden (aber meinetwegen auch ihr mainstream Album Hounds Of Love, ich finds trotz pop-appeal genial)
Ich frag mich, ob es die Features in der Mitte gebraucht hätte. Ohne hätte mir vielleicht besser gefallen. Was solls, Snowflake ist atemberaubend.