laut.de-Kritik
Eine Bereicherung für die britische Indie-Folk-Szene.
Review von Josephine Maria BayerEs habe sich so angefühlt, als hätten sie sich schon ewig gekannt. So beschreiben Kathryn Williams und Dan Willson aka Withered Hand den Anfang ihrer Freundschaft. Als sie sich beim Edinburgh Bookfestival 2019 kennenlernten, wurde den beiden Songwritern schnell klar, dass sie wie Topf und Deckel zusammenpassen. Eigentlich ist es ein Skandal, dass sie sich nicht schon früher dazu entschieden haben, ein gemeinsames Album aufzunehmen. Denn das geistige Kind "Willson Williams", das Willson und Williams auf die Welt gebracht haben, ist eine echte Bereicherung für die britische Indie-Folk-Szene.
Kathryn stammt ursprünglich aus Liverpool, Dan aus Edinburgh. Seit ihrem Debüt "Dog Leap Stairs" haut Kathryn in regelmäßigen Abständen Studioalben raus. Ganze vierzehn Stück sind es mittlerweile. Dans Karriere begann in diversen Indie-Bands der schottischen Hauptstadt. Als er 30 Jahre alt wurde, schenkte ihm seine Frau eine Akustikgitarre. Damit begann seine Solokarriere. Seine erste Solo-EP hieß "Religious Songs". Der Sänger wuchs in einer Zeugen Jehovas-Familie auf. Diese Prägung verarbeitet er in seinen Songs immer wieder.
Auch auf diesem Album tauchen immer wieder spirituelle Motive auf, obwohl sich inzwischen weder Kathryn noch Dan als religiös bezeichnen würden. Im Opener "Arrow" machen sie sich zum Beispiel Gedanken über die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Sünde. Der Begriff habe etwas mit Bogenschießen zu tun und bedeute, dass der Pfeil das Ziel verfehlt, erklärt Dan im Interview mit laut.de. Auch der darauf folgende Track "Grace" handelt vom Scheitern, eigenen Idealen zu entsprechen.
Die beiden Singer-Songwriter kennen keine Tabuthemen. Als nächstes nehmen sie die Trauer in Angriff. Beide verloren vor einigen Jahren einen gemeinsamen Freund: Scott Hutchinson von Frightened Rabbit. "Our Best" handelt von der Leere, die entsteht, wenn man eine geliebte Person verliert. Man müsse dennoch weitermachen und das Beste geben. Auf kitschige Verklärung verzichten die beiden: "You're not a saint, you never were." In "Wish" und "Sweetest Wine" ermutigen sie dazu, sich der Kürze des Lebens bewusst zu werden und jeden Moment wahrzunehmen.
Doch Kathryn und Dan bleiben nicht durchweg ernst. Im verspielten Lovesong "R U 4 Real" macht Dan einen unerwartet expliziten Witz ("I'm not hung like an elephant but I got a good memory"). Das Cat Stevens-Cover "Sing Out" klingt dank Folk-Band und enthusiastischen "Yes!"-Rufen opulenter und fröhlicher als das Original. Die rockige Nummer "Big Nothing" läutet das Album mit einem einprägsamen Riff aus.
Willsons und Williams' Stimmen harmonieren wunderbar miteinander. Trotz der emotionalen Achterbahnfahrt, auf die sie die Zuhörenden mitnehmen, entsteht der akustische Eindruck eines wohlig-wärmenden Kaminfeuers. Stundenlang könnte man dem verträumten Satzgesang der beiden lauschen, in ihrer fantasie- und humorvollen Gedankenwelt verweilen. Doch das Vergnügen endet nach einer Dreiviertelstunde. Bleibt nur zu hoffen, dass es nicht bei dieser einen gemeinsamen Platte bleibt.
2 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 5 Monaten durch den Autor entfernt.
Nett, aber umgehauen hat es mich nicht. Ich will wieder ein gutes Sun Kil Moon Album. Sofort! Bitte.