laut.de-Kritik

Der frühere Blackmail-Sänger Aydo Abay schaut nach vorne.

Review von

Was war die deutschsprachige Indie-Szene bestürzt, als sich Ende 2008 die Koblenzer Blackmail von ihrem markanten Gesangsorgan in der Gestalt Aydo Abays trennten! Wegen bandinterner Differenzen ging eine Ära zu Ende, einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Alternative-Rocks und steter Qualitätsgarant sollte plötzlich nicht mehr sein? Heul!

Lange hat er nichts mehr von sich hören lassen, der Herr Abay. Es wird gemunkelt, dass er - trotz aufgestautem Unmut über den "Rauswurf" - ganz den Gentleman geben wollte. Lobenswert, dass er diesem Ärger nicht lauthals Luft machte, sondern sich bedachtsam weit sinnvolleren Projekten zuwandte. Das Resultat dieses in musikalische Kreativität umgemünzten Blicks nach vorne liegt nun in Form des Silberlings "Yes We" vor, der neuen Platte von Abays einstigem Neben- und jetzigem Fulltimejob Ken.

Wer sich nun auf eine Fortsetzung der Ära Blackmail gefreut hat, sei gewarnt. "Yes We" ist keine weinerliche Nabelschau Abays musikalischer Vergangenheit (obwohl Abays Stimme unweigerlich an vergangene Tag erinnert), sondern ein Neuanfang mit erhobenem Haupt. Der Satz "Please believe that I don't have a glimpse of grief in me" der Single "Get A Life" resümiert dieses Vorhaben glaubwürdig.

Das Album ist ein Frontalangriff aufs Indie-Ohr, das aufmerksame Hörarbeit verlangt. Deutliche Message: Hier ist alles NEU! Tatsächlich huldigen Ken treibender Krautrock-Motorik, lassen mal straighte Gitarren, mal verqueres Elektronikgefrizzel sprechen. Auf Mitsing-Hymne folgen wütende Shouts, auf Ohrwürmer Sperrigkeit. Erstaunlich wie Ken diese vielfältigen Diskrepanzen zusammen in einzelne Songs verpacken.

Grandios: das siebenminütige "Women Who Love Men Who Take Drugs To Make Music To Take Drugs To" beginnt mit gehallter Drummaschine, Synthie-Gewaber und Abays schwebendem Gesang und baut während der ersten Minuten kontinuierlich Druck auf. Doch anstatt eines Höhepunktes folgt in der Mitte des Tracks sekundenlange Stille. Ein musikalisches Nichts. Nach diesem schwarzen Loch jedoch kreiert der Track erneut eine enorme Spannung, die sich am Ende in einer solchen Noise-Orgie entlädt, dass der Synthie brennt.

Die Platte ist definitiv kein Werk zum gemütlichen Nebenbeihören. Dies schlägt sich auch in den Songtiteln nieder: "Y.K.I.W.G.T.T. End. O.T.W.W.Y.", "Pirates Vs. Ninjas Vs. Zombies Vs. Robots", oder eben "Women Who Love Men Who Take Drugs To Make Music To Take Drugs To" sind wahrlich keine radiofreundlichen Etiketten.
Höchstens "Get A Life" kann wohl als 'Smash-Hit' gedeutet werden.

Schwerwiegendster Minuspunkt des Albums: der abgedroschene Obama-Slogan. Hallo, Originalität? Das dazugehörige Coverdesign mit lustig-fröhlichem Legomännchen hingegen ist zugegebenermaßen ganz witzig.

Trackliste

  1. 1. 21-21=21
  2. 2. Get A Life
  3. 3. Y.K.I.W.G.T.T. End. O.T.W.W.Y.
  4. 4. Women Who Love Men Who Take Drugs To Make Music To Take Drugs To
  5. 5. I'll Sleep When You're Dead
  6. 6. Polecats
  7. 7. Reminder D
  8. 8. Dead As A Dodo
  9. 9. Pirates Vs. Ninjas Vs. Zombies Vs. Robots
  10. 10. Quitting Smoking Is Much Easier Than Quitting Talking

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