laut.de-Kritik

Geschichten aus aller Welt, mitreißender als der Sound.

Review von

Über ein Jahrzehnt ist inzwischen vergangen, seitdem Sänger und Reisefan Stefan Tomek die Erinnerungen an seine Zeit in einer Dachgeschosswohnung nahe der kanadischen Kensington Road mit nach Deutschland nahm und 2008 in Berlin seine gleichnamige Alternative-Rock-Band gründete. 13 Jahre und viele musikalische Projekte später sind sowohl die Reiselust als auch der Drang nach neuer Musik für Tomek präsent wie eh und je. So ist es keine Überraschung, dass auch Kensington Roads neues Album "Sex Devils Ocean" seine Entstehung in den Erfahrungen auf Reisen fand.

Weil ein alltägliches Touristenziel allerdings viel zu einfach wäre und keinen kreativen Anreiz hätte, verschlug es Tomek mitsamt seiner Familie auf die kleinen abgelegenen norwegischen Lofoten-Inseln am nördlichen Polarkreis. Inspiriert von der neuen und atemberaubenden Szenerie, entstanden dort viele Songs des Albums, die Gefühle und Geschichten von Freiheit, Schwerelosigkeit, Zusammenhalt und Freundschaft, aber auch Rückschlägen und Stressphasen vereinen - jedoch immer mit einem positiven Ausblick auf das, was als nächstes kommt.

So thematisiert der Titeltrack "Sex Devils Ocean" mit seinem rebellischen Blues-Rock-Feeling ganz im Stile des Albums genau diesen stetigen Blick nach vorne, der alles Vergangene hinter sich lässt und nur die zukünftigen Abenteuer ins Visier nimmt. Auch die catchy Roadtrip-Nummer mit leichten Country-Rock-Einflüssen, "Change Is Good", spielt erneut mit diesen unbeschwerten Gefühlen an eine kommende Zeit, in der es noch so viel zu entdecken gibt.

Die Vergangenheit vollständig ruhen lassen, funktioniert dann allerdings doch nicht. Gerade die geradlinige Rock-Hymne "Class Of 92" behandelt die Höhen und Tiefen in der Gefühlslandschaft einer Person, die zu ihren Schulzeiten Ausgrenzung erlebte und mit Alleinsein konfrontiert war. "Pablito Pablito" geht mit seinem, von beißenden E-Gitarren begleiteten Protagonisten Pablito noch eine Stufe weiter und zerpflückt eine ganze Palette an Ängsten, mit der sich die moderne Gesellschaft schon in den vergangenen Jahren konfrontiert sah und auch in Zukunft noch auseinandersetzen muss.

Bei all dieser qualitativ lyrischen Dichte ist es folglich umso ärgerlicher, dass an einigen Stellen der Platte die gebührende musikalische Untermalung zu wünschen übrig lässt, damit Tomeks Geschichten auch auf lange Zeit in Erinnerung bleiben. So enttäuscht "Ghost Mountain" genauso wie "Living In A Lumidor", das immerhin noch einen mitreißenden Chorus im Repertoire hat, durch weitestgehend sterile und persönlichkeitslose Instrumentierung. Auch "Duke Of Persico" zeigt im Verlauf der fast vier Minuten immer wieder kleine Funken an Potential, die aber nie weiterverfolgt werden.

"Into The Universe" und "Steve Shoeman" markieren hingegen zwei Tracks, die intrigierende Erzählungen über erotische Abenteuer in Ersterem, aber auch die Güte und Liebe des früh verstorbenen Südafrikaners Steve Shoeman in Letzterem mit viel Atmosphäre und Charakter inszenieren.

Das reicht allerdings nicht aus, um "Sex Devils Ocean" in seiner Gesamtheit in eine langlebiges und rundum aufregendes Hörerlebnis zu verwandeln, das die philosophischen und poetischen Gedanken eines Weltreisenden zu einem Erlebnis macht, für das man immer wieder die Kopfhörer oder Lautsprecher ansteckt. Vielmehr läuft die Platte Gefahr aufgrund des streckenweise eher wenig mitreißenden Soundbilds als durchschnittliches Überbleibsel zurückzubleiben.

Trackliste

  1. 1. Ghost Mountain
  2. 2. Living In A Lumidor
  3. 3. Duke Of Persico
  4. 4. Class Of 92
  5. 5. Pablito Pablito
  6. 6. Sex Devils Ocean
  7. 7. Change Is Good
  8. 8. Into The Universe
  9. 9. Red Light
  10. 10. Steve Shoeman

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