laut.de-Kritik
Die selbstbewusste Sängerin spielt mit Genres, Moden und Stimmungen.
Review von Giuliano BenassiWas sie antreibe, sei der Klang, erläutert Keren Ann Zeidel zur Veröffentlichung von "101". Was auch erklärt, warum sie sich für die Aufnahmen vier Jahre Zeit genommen hat. Denn nicht nur hat sie sich in der Welt umgeschaut, sondern auch Platten produziert, für die Schauspielerin Emmanuelle Seigner und die Chanson-Legende Sylvie Vartan.
Aus der etwas schüchtern wirkenden jugendlichen Schönheit mit langen braunen Haaren, die im Jahr 2000 "La Biographie De Luka Philipsen" auch außerhalb der Wahlheimat Frankreich auf sich aufmerksam machte, ist nun eine selbstbewusste Frau geworden, die spielerisch Genres, Moden und Stimmungen mischt.
So treffen im Opener dezente Diskoklänge aus den 1980er Jahren auf ihre hohe, entrückte, dennoch tiefgründige Stimme. Die neue Frisur stammt von Mireille Mathieu, die Inspiration aus New York und Tel Aviv, wo Keren Ann neben Paris lebt. Eine Mischung, die auf dem gesamten Album für Abwechslung sorgt.
Einzig "All The Beautiful Girls" erinnert an die Singer/Songwriter-Anfänge. Die Gitarren treten nicht eigenständig hervor, sondern sind Bestandteil des dichten, verträumten Klangs. Der mal sphärisch ausfällt ("Run With You", "You Were On Fire", "Song From A Tour Bus"), mal Lou Reeds "Walk On The Wild Side" zitiert ("She Won't Trade"), mal sogar in Richtung Eurovision Song Contest zwinkert ("Blood On My Hands"). Wobei der Text über wilde Schießereien Lena nicht wirklich gefährden würde.
Viel zu schnell (nach 36 Minuten) kommt der abschließend Titeltrack. Der das Prädikat "genial" verdient hat: Er beginnt unmittelbar und scheint das Ende eines endlosen Countdowns, in dem Keren Ann jeder Zahl etwas zuordnet. So etwa "Seventy nine Star Trek Episodes", "Sixty Seconds ", "Thirty seven years since birth ", "Twenty eight grams". Gegen Ende kommen biblische Themen, abgeschlossen von "God".
"One bourbon, one scotch, one beer" wäre zwar auch ganz nett gewesen, aber das Stück bleibt auch so bemerkenswert. Wie das gesamte Album, das ohne großes Tamtam herausgekommen ist, sich aber zum Ohrwurm gemausert hat. Der Klang, den Keren Ann gefunden hat, bleibt hängen.
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