laut.de-Kritik
Nevermind the darkness, baby!
Review von Simon LangemannZwei Singer/Songwriter tun sich zusammen. Mit 13 Jahren Altersunterschied zwar, dafür aber jeweils mit lange ausgefeiltem, ureigenem Stil.
Von Anfang an ruhten daher große Hoffnungen auf dem Zusammenschluss dieser beiden Originale. Aber natürlich wollen Ex-Fink-Sänger Nils Koppruch und der umjubelte Gisbert zu Knyphausen mit dem befreienden Projekt Kid Kopphausen vor allem eines: neue Wege gehen.
Und so weisen gleich die ersten, polternden Schläge des Openers "Hier Bin Ich" den Weg, den sie für ihre Klangfusion gewählt haben. "Wir wollten es dreckiger haben", erklärte uns zu Knyphausen im Interview. Selbst alle Akustikgitarren jagte man deshalb durch den Verstärker, sperrte den unberührten Unplugged-Sound damit komplett aus.
Dass für die scharfen Ecken und Kanten des Kid Kopphausen-Sounds nicht nur die zwei Songwriter, sondern auch drei weitere "Multiinstrumentalisten und Genies" (Gisbert) verantwortlich zeichnen, werden die zwei Frontmänner nicht müde zu betonen. Zurecht: In Zusammenarbeit mit Produzent Swen Meyer heben Alexander Jezdinsky (Schlagzeug), Marcus Schneider (Gitarren) und Felix Weigt (Kontrabass, E-Bass) das Debüt deutlich vom klassischen Liedermacher-Album ab.
Was sich wohlgemerkt nicht nur im Hinblick auf die Studioarbeit, sondern auch beim Genuss des Endergebnisses äußert. Für einsame Akustikballaden muss man sich bis zur nächsten Knyphausen-Platte gedulden, Kid Kopphausen klingen nämlich ausnahmslos nach einer zusammen gewachsenen Band.
In die Rolle des Leadsängers schlüpfen die zwei Liedpoeten mit Ausnahme vom Duett "Hier Bin Ich" von Track zu Track abwechselnd. Welches Stück aus welcher Feder stammt, bleibt offiziell zwar verborgen, eine gewisse musikalische Handschrift kommt stellenweise aber durchaus zum Vorschein. Was dem Hörspaß jedoch keinen Abbruch tut, im Gegenteil: Das permanente Stöbern in verschiedensten musikalischen Schubladen macht "I" zu einer extrem vielseitigen Angelegenheit.
Recht deutlich an zu Knyphausens Solostücke erinnert etwa das tiefschwarze Timbre der "Mörderballade", in der der Rheingauer auf seine ureigene Art und Weise eine dramatische Geschichte erzählt. Mit den schlingernden Bottleneck-Einsätzen im beschwingten "Jeden Montag" oder dem harschen "Moses"-Grundriff blitzt dagegen Nils Koppruchs bereits bei Fink eingebrachtes Faible für Americana- und Country-Sounds auf.
Doch auch Experimente, Überraschungen und Brüche gibt es immer wieder zu entdecken. Bei "Schon So Lang" stellen die ungewöhnliche A Capella-Klänge nur die Ruhe vor dem Sturm dar, der urplötzlich in Form eines wilden Punk-Hurricanes ausbricht.
Im finalen "Nur Ein Satz" mündet ein geheimnisvoller Mix aus unterschwellig pulsierender Bassdrum und Gisberts Sprechgesang in ein anmutiges und wohlklingendes Finale. Keine Frage, das Wechselspiel zwischen harmonischen ("Schritt Für Schritt", "Im Westen Nichts Neues") und tief düsteren Momenten ("Haus Voller Lerchen", "Wenn Der Wind Übers Dach Geht") beherrschen Kid Kopphausen bestens.
An die gute Laune des Albumhöhepunkts "Das Leichteste Der Welt" kommt dabei kein Track heran. Aufbauend auf ein simples Akustikgitarren-Pattern reicht die Spannungskurve der eingängigen Nummer bis zum exzessiven Indie-Rock-Spektakel. Bei derart liebevoll heraufbeschworener Glückseligkeit nimmt man dem Duo gar die Zeilen ab, die Gisbert am Gipfel des Songs aus einem fiktiven Traum zitiert und leidenschaftlich ins Mikro jauchzt: "Nevermind the darkness, baby. You will be saved by Rock'n'Roll!"
Kid Kopphausen verpacken auf ihrem Erstlingswerk fiktive Geschichten von kauziger Schönheit in innovativ und völlig ungeschliffen produzierte Gitarrenmusik. Wer tatsächlich sowohl Koppruchs als auch zu Knyphausens eigenwillige Art ins Herz schließt, den belohnt die Platte mit einer angenehm seltsamen Reise durch verschiedenste Emotionslagen.
2 Kommentare
Sehr gut!
grandios!