laut.de-Kritik
Kreuzberger Hip Hop mit Flow, Rhythmus und jeder Menge Features.
Review von Dani FrommRaps aus Berlin haben Potenzial. Das Potenzial, mir zuweilen nachhaltig Laune und Appetit zu versauen. Wenn einem dann zur Abwechslung eine hochwertige Veröffentlichung aus Kreuzberg in die Hände fällt, gibt das eigentlich doppelten Anlass zur Freude. Killa Hakan liefert mit beeindruckendem Flow, hervorragendem Rhythmusgefühl und zum Teil abartigen Tempo den Beweis, dass das Türkische für Sprechgesang taugt. Er setzt seine Reime wie aus großer Distanz über seine Tracks, als liefere er sie mal eben übers Telefon. Interessanter Effekt, die Sache funktioniert bestens.
Unwissenheit ist im Fall von "Semt Semt Sokak" übrigens eine Gnade: Da mein Türkisch eher rückwärts stolpert statt vorwärts zu fließen, habe ich keine Ahnung, was Killa Hakan da Schönes erzählt. Ein mögliches Ärgernis weniger also. Leider tritt auch hier sofort Kollege Spielverderber auf den Plan: "Ich hab da noch so ein Presseinfo mit den Texten, das schick' ich dir rüber." Danke dafür. Ich verabschiede mich also vorab von der guten Note, die ich vergeben wollte - und werde überrascht. Zwar bin ich nur mit der Übersetzung von "Ufak Ufak" vertraut. Aber die Lyrics des Stücks erweisen sich keineswegs als plump und dämlich.
Auch der rumpelnde Bass und die starken Beats klingen astrein, machen ordentlich Druck aufs Trommelfell. Killa Hakan produziert seine Tracks gemeinsam mit Becir Karaoglan, der unter anderem als Sänger einer türkischen Soulband von sich reden machte. Synthetische Sounds dominieren, hie und da werden sie mit morgenländischer Instrumentalisierung gewürzt ("Içinde Hisset"). Nicht verwunderlich, dass bereits die Beats alleine Groove Attack zur Zusage bewegten. Ich jedenfalls habe lange kein abgefahreneres Instrumental als den Titeltrack "Semt Semt Sokak" gehört: angemessen finster, mit unerwarteten Wendungen - allein dieses Stück ist die Anschaffung des ganzen Albums wert.
Hip Hop-Kollege Fuat darf auf der Platte natürlich nicht fehlen. Seinen ersten Auftritt hat er gemeinsam mit Gekko in "Hipnotize Ol", später schaut er noch einmal im Studio vorbei: "Heptimiz Birimiz" drückt heftig auf die Ohren, und dass Fuat und Hakan harmonieren, wussten wir ja bereits ("Rapüstad", 2003). Der Protagonist kann allerdings auch mit Grand Agent: "Who Got The Masterplan" fragen sich die beiden, während DJ Boba Fett ordentliche Scratches dazu abliefert. Auch Bazooka Joe Gotti gefällt mir gut, auch wenn der Instrumentalteil in "Iyçe Dinle" hart an der Überfrachtung entlang schrammt. Michael Mic dagegen reißt mit seinem eintönigen Stil ohne Höhen und Tiefen in "Sakin Yanasir Ustallar" wie so oft nicht vom Stuhl.
Gegen Ende entdeckt Hakan gleich dreimal hintereinander seine Liebe zu gesungenen Hooklines - auch hier geht die Abwechslung leider etwas flöten. "Habermi Bekliyorsun" setzt mit türkisch-deutschem Refrain dabei eher auf R'n'B-lastigen Sound; dagegen verbreitet der wunderbare Ayaz Kaplı in einem ansonsten elektronisch tönendem Stück mit mächtigem Bass jede Menge orientalisches Lebensgefühl. Bleibt wieder einmal die Erkenntnis: Hört mehr türkische Musik!
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