laut.de-Kritik
Songs im Zwielicht von Klassik und Pop.
Review von Artur SchulzRobert Schumann meets "The Girl From Ipanema"? Die Vermengung von Klassik und populärer Musik ist eigentlich ein alter Hut. Und oft genug wurden solche Teile schlecht genäht, doch mit "Curiose Geschichten" bieten Kitty Hoff & Forêt-Noire stattdessen maßgeschneiderte Einzelstücke.
In Kittys Schmuckwaren-Handlung finden sich Rumba, Bossa Nova, Chanson, eine Prise Blues samt Easy Listening der feineren Sorte. Schumanns Partituren fungieren als roter Faden, wobei immer wieder Jazz-Elemente und elegante Pop-Pralinés Einlass finden.
Trotz der musikalischen Beschwingtheit behandelt "Erster Verlust" das schwere Thema Trennung: "Das Blatt hängt noch am Apfelbaum / Das Tor ins Nichts, man sieht es kaum". Zu den wehmütigen Gedanken bilden klassische Noten im Verbund mit den südamerikanisch angehauchten Forêt-Noire eine beseelte Einheit. Kitty verpasst hauchzart die letzte Raffinesse.
Oft genug startet ein Song zunächst als sanft schnurrendes Kätzchen, das sich bald in einen schwer fassbaren, geschmeidig auf Beutezug befindlichen Leoparden wandelt. Auf "Nr. 21" treibt sacht ein Bossa Nova-Schlagzeug, verspielt gleiten Hoffmans Piano-Noten dahin und flirten mit behutsamen Streichern, derweil Kitty sich mondän auf ihrem Diwan räkelt.
"Kleine Romanze" gibt als intensive Instrumental-Nummer Forêt-Noire besondere Gelegenheit, Fähigkeiten und Fertigkeiten kunstvoll auszuspielen. "Fürchtenmachen" beschreibt die Drohungen der Zeit: "Zeit, sie tickt und tickt durch Räume / und bleibt plötzlich nah bei mir steh'n / zeigt auf Zahlen, Farben und Träume / sieht mich an und muss dann wieder geh'n". Sängerin und Band bauen hier eine packende Atmosphäre auf.
Raum für Leidenschaft bleibt bei aller Dramatik dennoch: "Ich greif' mit beiden Händen in das Schwarzwaldtortenglück hinein / und schleud're rote Kirschen, rote Kirschen in den Himmel". Indes bleibt es nach leidvollen Erfahrungen nicht lebenslang "Glückes Genug", denn: "Doch irgendwann, nach sieben Jahr'n / wird uns von all dem Süßkram schlecht / wir sprengen uns're Zuckerkruste, räumen auf und lesen Brecht".
Nein, leicht greifbar ist sie immer noch nicht, die fabulöse Kitty Hoff. Fast scheint es so, als wäre sie das ferne Echo einer vergangenen Zeit. Während Kitty irgendwo in einer Zwischenwelt ihren Absinth aus edlen Kristallgläsern genießt, spricht sie zu uns ähnlich dem übernatürlichen Wesen in Turgenjews romantischer Novelle "Gespenster". Darin nimmt ein betörender weiblicher Geist den Protagonisten des Nachts immer wieder mit auf eine Himmelsreise und lässt ihn Zeuge werden bei längst vergangenen Begebenheiten der Weltgeschichte.
Können Wirklichkeit und Realität zwei verschiedene Dinge sein? Kitty Hoff sagt ja, wenn man sich denn für die Dinge hinter den Dingen den Sinn bewahrt hat. Diese Vorgehensweise beginnt bereits beim Cover. In bunten Farben säumen Blumen, Pflanzen und Pilze einen nächtlichen Waldboden.
Gerade die Bäume vor dem übergroßen, fahlen Mond gemahnen an eine Szenerie aus Tim Burton-Filmen, etwa "Corpse Bride" oder "Sleepy Hollow". Was bedeutet: Es erwarten den Hörer Songs im Zwielicht, die hin- und herhuschen in Nebeln einer Dämmerung, von der man sich nicht sicher sein kann, ob sie nun des Morgens oder des Abends auftaucht.
Einen persönlichen Blick auf die tatsächlichen Wertigkeiten des hektischen Lebenslaufs bietet dann die "Curiose Geschichte" - dank eines heiter und unbelastet durch die Weltgeschichte sausenden Eies. Mit dem Prinzip Hoffnung endet das Album sehnsuchtsvoll: "Von Fremden Ländern Und Menschen".
Vielleicht wartet ja irgendwo da draußen wirklich ein geheimnisvolles Kuvert auf uns, an einem vergessenen Strand versteckt? Kitty weiß darum: "Weit in fernem Land / liegt mein Brief im Sand / fest verschlossen / und unerkannt". Und wenn man Kitty Hoff nicht mehr vertrauen kann, wer rettet uns dann?
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