laut.de-Kritik

Bitte bleib einfach im Schatten.

Review von

Alle Jahre wieder. Während Millionen von Fans endlich ihr neues Lieblingsalbum auf die Ohren bekommen, bricht mit dem Release eines weiteren Kontra-K-Albums für ein Dutzend deutscher Musik-Redakteur*innen die schlimmste Zeit des Jahres an - sie müssen das Ding reviewen und dafür: hören. Zu erfolgreich und relevant, um es einfach zu ignorieren, zu toxisch und unangenehm, um auch nur einen Funken Freude dabei empfinden zu können. Das Erarbeiten einer Review von Kontra K ist die Zeit, in der Fenster und Türen selbst bei bestem Wetter geschlossen bleiben, damit wirklich niemand auch nur ein Tönchen aufschnappen und am Ende auf die Idee kommen könnte, man würde da gerade Kontra K hören und am Ende auch noch eine gute Zeit damit haben.

Tatsächlich spräche viel dafür, Kontra K einfach nicht zu behandeln. Lines wie "Ehrbare Frauen, die du damals geheiratet hättest, sind heute leider nur Schlampen, die in Clubs rumtanzen" mögen ein knappes Jahrzehnt zurückliegen, an seinem patriarchalen, archaisch-männlichen Weltbild hat sich wenig geändert. 2016 erklärt er im Interview mit 1Live, er glaube nicht, dass Homosexualität in den Genen liege oder Menschen "schwul geboren" werden würden. 2019 folgt ein Feature mit dem rechten Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker Xavier Naidoo und im Sommer 2020 präsentiert er uns seine "gendergerechte Box" im mittlerweile gelöschten Unboxing - mit Holster für die Boys und kleinem Rucksack für die Girls, versteht sich von selbst, Männer stehen bekanntlich auf Waffen und Frauen lieben Shopping. Die Liste an Kritik und Vorwürfen könnte beliebig fortgeführt werden, aber für eine Tendenz reicht es sicher auch so: Der Typ geht überhaupt nicht klar. Weiter zur Musik.

Frei nach dem Motto "Was der Mainstream nicht weiß, macht den Mainstream nicht heiß" stehen dem gegenüber fünf Nummer-eins-Alben in den vergangenen fünf Jahren. Kontra K hat seine Hit-Formel gefunden und mit tugendhafter Disziplin zwischen Fitte, Wildtier-Shoots und Glückskeks-Sprüche-auswendig-lernen Album auf Album geschustert. Dass er dabei selbst nicht einschläft, ist sein größtes Kunststück und vermutlich nichts anderem als seinem eisern männlichen Willen zu verdanken, denn er hat genau einen Flow, den er seit nun zwölf Jahren und 13 Releases nicht müde zu performen wird. Den Sprung zum deutschen Major-Artist verdankt er trotzdem mehr als süßen Kulleraugen und 'nem malerischen Ibiza-Muskel, denn die Hooks sind mittlerweile echte Stadion-Hymnen und auch genau dafür geschrieben und produziert.

Ab jetzt wirds knifflig. Wie viel Review im Detail verträgt ein Album, das essenziell nichts anders macht als seine vorherigen 100 Songs? Nicht zuletzt: Wie viel Review im Detail verträgt der schreibende Redakteur, der sich dafür konzentriert durch die einzelnen Lieder klicken muss? Um fair zu bleiben: Ja, "Vom Licht In Den Schatten Zurück" ist soundtechnisch ausgefeilter und die konsequente Entwicklung, hätte man einen Kontra-K-Song von 2015 genommen und sich gefragt: "Wie kann man das exakt so noch mal machen, nur in 20 Prozent besser?" Stärkere Refrains, professionelle Produktion, hier und da ein paar neue Drums und 808s, aber ansonsten hält der neue Wurf des Wolfmanns vor allem eine Maxime in Ehren: Never change a running system.

Mit seinem schier unendlichen Vorrat kämpferischer Ratschläge und Lebensweisheiten, die selbst deinem aus der Welt gefallenen Boomer-Onkel zu cringe wären, um sie dir auf Geburtstagen ungefragt entgegen zu prosten, hat Kontra K hier ein neues Flagship des deutschen Schlager-Raps aus dem Boden gestanzt und sich den Ritterschlag verdient: Ja, er ist es, der Andreas Bourani aller Teenie-Pumper mit Kolligha-Mindset.

Trackliste

  1. 1. Big Bad Wolf feat. Baci
  2. 2. Komm Von Da
  3. 3. Asphalt & Tennissocken
  4. 4. Babylon
  5. 5. Diese Eine Melodie
  6. 6. Ein Bein Im Knast feat. Skinny Al
  7. 7. Wenn Das Schicksal Trifft
  8. 8. Ich Suche feat. Rico
  9. 9. Tiefe
  10. 10. Zähl Nicht Nach
  11. 11. Wenn Ich Will feat. Skepsis
  12. 12. An Meinem Schlechtesten Tag feat. Samra
  13. 13. Alles Ist Musik feat. Janaga
  14. 14. Zeitraffer
  15. 15. In Den Schatten Zurück

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LAUT.DE-PORTRÄT Kontra K

"Der Hund ist des Mannes bester Freund." Heißt es ja so schön. Ein Hund ist vor allem eines: loyal. Gibts nicht mehr so oft, im frühen 21. Jahrhundert.

7 Kommentare mit 3 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Das Album ist eine 2/5, Den extra Punkt gibt es für die gelungene Produktion. Gegen Ende hört es sich auch eher an, als ob er irgendwelche Songskizzen reingeballert hat. Er könnte auch die selben Texte von den alten Alben verwenden und mir würde es nicht auffallen :D

    Aber eine Frage habe ich: Was ist an den "gendergerechten" Boxen verkehrt? Es ist ja irgendwie klar dass nicht jeder was mit dem Holster anfangen kann (fand den Inhalt auch ziemlich sinnlos um ehrlich zu sein), aber sich darüber aufzuregen dass er 2 verschiedene Boxen gemacht hat? Irgendwie lächerlich

    • Vor 3 Jahren

      Geht es überhaupt um die gendergerechten Boxsets an sich oder um die dämliche Kategorisierung in Jungs und Mädels durch Einbindung billigster und lächerlichster Stereotype?

  • Vor 3 Jahren

    Der wäre auch auf diesem Querdenker-Track von Naidoo präsent, wenn er nicht so viel Erfolg und die richtigen Agenten hätte, die ihm permanent in das Öhrchen flüstern, dass dieser und jener Move schlecht für den weiteren Verlauf seiner Karriere sein könnte. Ich habe nichts gegen Hohlbirnen, aber Kontra K ist keine von der unbedarften, sondern eine von der selbstverliebten Sorte, die mit ihrer Drecksmusik leider so viel Popularität erlangt hat, dass sie sich als unantastbar und stets richtig handelnd einschätzt und letztlich auch genau so großkotzig auftritt. Richtig ekelhaft, dieser talentlose, Wandtattoos und Kalendersprüche spittende Proll.

  • Vor 3 Jahren

    Was die Beats angeht wirkt die Platte noch ausgefeilter als die letzte. Ich als ja, langer Kontra K Fan bin jedoch derart von der sich darbietenden lyrischen Einöde gelangweilt, das auch mittlerweile mir jede Line irgendwie schon bekannt vorkommt. Es scheint als hätte der liebe Max eine Bucket-List mit Themen vor jeden neuem Projekt, die er akribisch arbeitet. Bis auf die letzteren beiden Tracks hat man das alles schon gehört. Dennoch kreiert meines Erachtens nach Kontra K als einzige Ausnahme in Deutschland einen Film, den kein anderer in derartiger Konsequenz auslebt. Man muss sich eingestehen er fährt seinen Linie, eine repetitive, aber dennoch einzigartig.
    Schwache 3/5 von mir