laut.de-Kritik
Langeweile kann so schön sein.
Review von Stefan MertlikDie Klamotten sitzen mäßig. Die Frisur ist gar keine Frisur. Und was aus dem Mund kommt, klingt gelangweilt. Tagediebe und Müßiggänger können sympathisch sein. Kurt Vile schreibt Musik für Menschen, die das Streben nach Erfolg weiter hinten auf ihrer Prioritätenliste einordnen. Auch sein achtes Studioalbum "(watch my moves)" sorgt für keinerlei Körperspannung bei den Hörer_innen.
"My mind is humming / When I walk I'm dreaming", singt der 42-Jährige in "Chazzy Don't Mind". Ein hypnotischer Viervierteltakt zieht sich durch die Songs. Die Gitarrensolos klingen nicht verspielt, sondern verträumt. Nichts erhöht den Puls, alles plätschert dahin. Dass jeder Takt DIY-Charme versprüht, ergibt Sinn. Vile nahm die Platte erstmals in seinem neuen Heimstudio in Philadelphia auf.
Dort ließ er sich gehen, was vor allem am Gesang bemerkbar wird. Singt er noch oder spricht er schon – die Übergänge sind fließend. Herrlich notdürftig klingt das manchmal, aber meistens total passend. Aufmerksam zuzuhören lohnt sich, auch wenn es die Monotonie der Arrangements zuweilen erschwert. "Playing in the music room in my underwear / Feeling fine and then my psyche crumble", singt Vile an einer Stelle.
Manche Textstellen sind eindeutig. Wenn er zum Beispiel kaum glauben kann, dass er im Vorprogramm von Neil Young spielen darf. Oder sich wieder in die Tage zurückwünscht, in denen er noch jung war. Dann wird es aber wieder kryptisch. Ganze Strophen scheinen keinen Sinn zu ergeben. Immer wieder setzt er vermeintlich wahllose Pausen, die er mit Adlibs auffüllt: Yeah. Too. As well. Mmmm. Woo. Selbst dem Cover von Bruce Springsteens "Wages Of Sin" drückt Vile seinen eigenen Stempel auf. Große Kehrverse macht er klein. Komplexes Muckertum torpediert er mit gespielter Lustlosigkeit.
Auf dem Vorgänger "Bottle It In" von 2018 schüttelte Vile seine Mähne noch beherzter im Takt. Die Momente des Durchdrehens gibt es aber auch noch auf "(watch my moves)". Auf "Fo Sho" leistet der Chef-Slacker schwere Gitarrenarbeit, lässt ein verzerrtes Riff gegen eine ungesund summende Synthiefläche prallen. Seine Stimme täuscht in "Mount Airy Hill (Way Gone)" sogar Falsettgesang an. Doch solche Ausreißer bleiben die Ausnahme.
Mit 15 Songs, von denen die meisten die Fünf-Minuten-Marke sprengen, fordert "(watch my moves)" die Geduld seiner Hörer_innen heraus. Doch wenn Kurt Vile draufsteht, sollte das niemanden überraschen. Die Platte fühlt sich an wie ein Müßiggang über endlose Feldwege. Es geschieht wenig, doch die Gedanken können dabei einfach fliegen. Langeweile kann so schön sein.
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Kurt ♥