laut.de-Kritik
Der freshste Newcomer zementiert seinen Status.
Review von Philipp KopkaEin Teenager mit identitätsverhüllendem Gucci-Bandana vor Nase und Mund posiert mit Gangzeichen vor einem blauen Sternenhimmel. Den Hintergrund zieren mit amateurhaften Photoshop-Künsten drapierte Nestea-Flaschen neben Privatjets und Weißkopfseeadlern. Die Musik, die nach dem Klick auf "Fly Shit" ertönt, stößt genauso vor den Kopf: Auf dem "Or Nah"-Beat von Ty Dolla $ign rappt LGoony ausschließlich über eins: Geld, Geld und nochmal Geld. Egal, ob Playstation 5 oder iPhone S6: Dem Größenwahn des Fly Boys aus Cologne scheinen keine Grenzen gesetzt.
Das ungläubige Grinsen weicht nach dem x-ten Klick auf Repeat schnell einer Erkenntnis: Das Glo Up Dinero-Gangmitglied macht irgendwas richtig. Die Anziehungskraft seiner Musik hat dabei einen simplen Grund. Statt Trends hinterher zu laufen, hält der junge Kölner konsequent an seiner Vision fest, dass Cloud-Rap auch auf Deutsch funktioniert, und wird dafür belohnt: Respektsbekundungen von den Orsons und Casper, der sogar als Featuregast einen Part auf dem "Grape Tape" liefert, lassen schnell einen kleinen Hype um den Shootingstar aus Money Boys Truppe aufziehen. Ludwig Langers erstes Tape "Goonyverse" verschaffte ihm sogar einen Slot beim Splash! Festival.
"Früher hab ich mich gefragt: Wäre ein Mic eine gute Investition? Und heute bekomme ich Props von meinen früheren Rapidolen", zieht LGoony im Opener seines zweiten Mixtapes Bilanz. "'Goonyverse' war erst der Anfang", schießt die fast schon drohend wirkende Ankündigung hinterher. Nach dem ersten Durchlauf steht fest: Das "Grape Tape" meistert die größte Herausforderung eines Zweitlings mühelos. Es stellt Goonys Debüt in jedweder Hinsicht in den Schatten.
Natürlich wahrt der Goon Stärken, die schon sein Debüt zum Dauerbrenner in der iTunes-Mediathek machten: Das übermenschliche Talent für Ohrwurm-Hooks gepaart mit Flowvariationen zwischen abgehobenem Autotune-Überfluss und technisch versiertem Vortrag funktionieren auch auf dem "Grape Tape". "Umweltbewusst, ich werfe Fünf-Euro-Scheine fast immer in die blaue Tonne." Ob Goony nun im gelben Rarri oder Lambo Gallardo vorfährt: Im Handschuhfach hat er immer ein paar kreative Lines dabei, die sein vermeintlich eindimensionales Themenspektrum in ein Sammelsurium amüsanter Vergleiche verwandeln.
Das Produzententeam um DJ Heroin legt im Vergleich zum Erstling eine Schippe drauf. Mal tropft der Beat dickflüssig von der Decke, bis der ganze Raum in einer wogenden Masse zu ertrinken droht, mal fliegt er so lange gen Himmel, bis man auf der Cloud 9 den Liegestuhl aufklappen kann.
"Keine Mucke mehr in Deutschland, alles wird vermarktet, in einer schönen teuren Box, damit es ja hoch chartet. Ich geb keinen Fick auf sowas, ich mach Mixtapes gratis. Und trotzdem ist mein Album in zehn Jahren Platin." Die prägnanteste Veränderung zum Debüt sticht bei Tracks wie "Keine Euros" und vor allem der finalen Abrechnung "Ultraviolett" hervor. "Es geht nicht um Zahlen, es geht um Musik. Und nicht um Profit." Mit überraschend deutlichen Ansagen in Richtung der Kollegen, Medien und eigentlich der ganzen Szene positioniert sich LGoony als Außenseiter, der sich mit kleinem Kreis dem Rap-Establishment in den Weg stellt. Im Gegensatz zu Konsorten wie Flizzy ist das aber kein Akt der Verzweiflung, sondern viel eher ein Statement.
Ludwig Langer hat allen Grund, sich das Gucci-Bandana vom Gesicht zu ziehen. Zeit ist es, dass die Welt sein Antlitz sieht. Auf den ersten Blick mag die enge Verbandelung mit GUDG-Kopf MBeezy zusammen mit der kalkuliert unprofessionell wirkenden Fassade vielleicht lächerlich wirken, doch das zweite Mixtape festigt die Vorahnungen nach "Goonyverse": LGoony ist nicht nur zum Spaß hier, sondern ein ernst zu nehmender Musiker. Der hat nicht nur etwas zu sagen, auch die musikalische Vision kristallisiert sich immer deutlicher heraus.
Mit dem "Grape Tape" wird LGoony auch weiterhin vor allem alteingesessene Realkeeper vor den Kopf stoßen. Aber selbst die müssen sich eingestehen, dass der junge Mann aus der Medienhauptstadt mit dem zweiten Tape seinen Status als freshster Newcomer zementiert.
13 Kommentare mit 24 Antworten
"Statt Trends hinterher zu laufen, hält der junge Kölner konsequent an seiner Vision fest, dass Cloud-Rap auch auf Deutsch funktioniert"
Der Satz ist meiner Meinung nach ein Widerspruch in sich. Fresh ist es meiner Meinung auch nicht, wenn man etwas aus den USA kopiert. Kann man natürlich machen, aber ich würde jetzt z. B. Marsimoto auch nicht als fresh beschreiben oder Yung Hurn.
Außerdem ist die Line "Es geht nicht um Zahlen, es geht um Musik. Und nicht um Profit." in Bezug auf sein Image und im Vergleich zu dem, was er macht, nicht ernst gemeint. Kann ich mir nicht vorstellen, es geht doch nur um Money.
Aber ich bin ja genrefremd, daher am besten warten, bis das fachkundige Publikum etwas zu sagen hat.
Da habe ich auch gestutzt, zumal Autotune auch mega ausgelutscht ist, dagegen ist selbst Dupstep 'fresh'.
Aber 4/5 für ein Glo Up Dinero Gang-Release ist schon heftig
@ Olivander
Genrefremd ist noch stark untertrieben. Warum wohl haut LGoony seine Tapes for free raus? Weil ihm Profit so wichtig ist? Merkste selber, ne?
Und dass er vom Money haven redet, heißt nicht, dass er wie ein Geier Money getten will. OK?
Wenn man im Genere ist, merkt man, dass es egal in welcher sprache, nichts gibt was man tatsächlich mit goony vergleichen kann. und django zeigt volles wissen. es geht nicht darum DAS autotune sondern WIE autotune benutzt wird.
Habe ich was verpasst? Heißt das, ab sofort muss man dieses Umfeld um Money Boy & Co. als ernstzunehmende Musiker ansehen? Ich werde zu alt für den Scheiß. Gehört 1/5
Nicht gehört?
Nein, G E H Ö R T. Zumindestens die ersten 5 Tracks und das Cas Feature aus Neugier. Sorry aber dieser Treppenwitz [hier schlechtes Wortspiel mit Trap einfügen] funktioniert bei mir nicht. Vielleicht liegt es daran dass Money Boy zuviel den Clown gemacht hat als das ich seine Protegés jetzt auf einmal ernst nehmen könnte.
nur weil es die gleiche crew ist, ist es doch nicht die gleiche philosophie. Cas feat ist schwach, aber rr das ist die zukunft. also ja du bist zu alt
Auto-Tune erlebt ein frischer Neustart seit Leuten wie LGoony oder Crack Ignaz. Von den Amis ganz zu schweigen.
Grape-Tape ist ein sehr feines Tape, mit ordentlich Ums und astreinen Features.
Anspieltipps: 1,2,6,7
Langweilig bis angstrengend, find' den Scheisse und betrachte ihn aus Prinzip vorurteilsbehaftet.
Hab's nochmal probiert, geht einfach nicht. Wie kann man den als Rapnerd gut finden? Der ist dermaßen lurchig, mein persönlicher Fabian Römer 2.0
Weil er rappen kann, einer der wenigen hierzulande ist, die ein Händchen für Ohrwurm-Hooks haben, und seinen Film konsequent fährt.
Lurchig? Mag sein, aber ich sehe Videos wie dieses schon eher mit einem Augenzwinkern:
https://www.youtube.com/watch?v=I2su-1t1wZA
Der hat einfach Spaß an dieser Musik und mich hat er, allein durch den herrlichen Genetikk-Diss, eh auf seiner Seite.
Der Track lief letztens bei meinem Kollegen, der feiert den auch, weswegen ich LGoony eigentlich schon ein paar Vorschusslorbeeren eingeräumt hatte. Zum Nebenbeihören und dazu GTA zocken und Bong rauchen hat's auch nicht gestört, aber aktiv kann ich mir den nicht geben.
Wenn ich Ohrwurmhooks haben will hör' G-Style
*ich
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.