laut.de-Kritik

Der All Time-Klassiker unter den deutschen Rap-Alben.

Review von

Was schreibt man über eine Platte, die bereits fast zwei Jahrzehnte auf dem Buckel hat? Der als einer der ersten Hip Hop-Scheiben aus deutschen Landen ein exponierter Platz in der Rap-Geschichte gebührte, und die dennoch gemeinsam mit ihren Urhebern ein Schattendasein am Rande des Vergessens zu führen scheint?

"Watch Out For The Third Rail" erfährt 17 Jahre nach seiner Veröffentlichung 1991 eine Neuauflage. Fragte man die heutige Rap-Jugend, ob dies nötig war, man bekäme möglicherweise Antworten wie "Alter Scheiß!", "Brauchen Nur Nostalgiker!" oder "Dem Jetzt gehört die Zukunft."

Irrtum, Jungs. Ohne Gestern kein Heute. Gerade denen, die sich zu den Baseballkappen die Scheuklappen aufgesetzt haben und keinen Millimeter mehr nach rechts und links kucken mögen, gerade für die könnte sich ein Blick in die Wiege des deutschen Hip Hop als überaus heilsam erweisen.

Dass sich zur Beurteilung von Raptechnik und Produktion heute gültige Maßstäbe nicht heranziehen lassen, sollte sich von selbst verstehen. Zu seinem Entstehungszeitpunkt galt "The Third Rail" - im wahrsten aller Wortsinne, womit hätte man einen Prototyp vergleichen sollen? - als beispiellos.

Ich freu' mich trotzdem über die Wiederveröffentlichung: Die Vergangenheit erteilt hier nämlich der Gegenwart eine ebenso unmissverständliche wie notwendige Lektion in Sachen Open-Mindedness, Musikalität und Handwerkskunst.

Auch 2008 verschlägt mir die Überfülle an verbratenem Samplematerial den Atem. Der Umstand, dass man zu Beginn der 90er seine Quellen nicht nur kennen (allein das dürfte heute einen Großteil der Tunnelblick-Generation überfordern), sondern dann auch erst einmal auftreiben musste, steigert die Ehrfurcht vor der gebotenen Leistung ins Unermessliche.

Hinzens Break und Kunzens Stimmfetzen lagen damals nämlich keineswegs bequem einen Mausklick entfernt, sondern harrten schlummernd versteckt in staubigen Kisten oder Mutters Regal ihrer Entdeckung.

Dendemann feierte die Anfänge einst als die Ära ab, "als man noch Zeit zum Feiern fand und der DJ vor dem MC auf dem Flyer stand". Letzteres mit Recht: DJ Defcon, Ko Lute sowie die Gebrüder Rick Ski und Future Rock zelebrieren diggin' in the crates in Reinkultur.

Der Legende nach versteckten sie die verwendeten Platten, selbstredend mit vorher unkenntlich gemachten Labels, während der zwei Jahre verschlingenden Bastelarbeit an "Watch Out For The Third Rail" sogar voreinander.

Die "Dope Beat Edition" bietet neben dem schmuck frisch gemasterten altehrwürdigen Material Bonus-Tracks und Instrumentals, um dem Scopes Ansicht nach "größten Sample-Ratequiz der deutschen Musikgeschichte" auf die Pelle zu rücken. Eine vollständige Analyse böte vermutlich Stoff für mehrere wissenschaftliche Arbeiten.

"Der Plan war, noch mehr Samples zu benutzen als Public Enemy, und noch mehr Krach zu machen", so Future Rock. Aufgegangen, findet Hawkeye Schacht: "Hardcore, dreckig und dope, so wie Hip Hop sein sollte."

Ich kenne kein deutsches Rap-Album, das den Stempel "All Time Classic" mehr verdient hätte. Den Teufel werde ich tun, und diese Platte auf den Seziertisch legen.

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass darob jemand meckert, halte ich es mit DJ Stylewarz: "Wer LSD nicht kennt, soll's Maul halten!"

Trackliste

CD 1

  1. 1. The Third Rail
  2. 2. Competent (Remix)
  3. 3. Rhythm Attack
  4. 4. Relaxation
  5. 5. Untitled 01 (The Lyrical Leader)
  6. 6. Blackvinyl On Defense Condition (Remix)
  7. 7. Movin' On
  8. 8. Untitled 02 (High On LSD)
  9. 9. Poetical Justice
  10. 10. Brand New Style
  11. 11. Change The System
  12. 12. Bilateral World
  13. 13. Untitled 03 (People's First Album)
  14. 14. Stop Being A Fool!
  15. 15. Jazzy Move
  16. 16. Never Go Death (Vinyl Mix)
  17. 17. Untitled 04 (Outro / Intro Maceo)
  18. 18. Purpose Of This Record
  19. 19. Watch This Event
  20. 20. Untitled (House Music)
  21. 21. This Beats Are Legal (91' Remix)
  22. 22. I Don't Care A Rap
  23. 23. Welcome From Germany!
  24. 24. Can't Cope With My Dope
  25. 25. Untitled 05 (Westwoods Shout Outs)
  26. 26. Kickin' The Facts
  27. 27. Untitled 06 (Interview)
  28. 28. You Gotta Do Your Thing (Competent-Reprise)
  29. 29. Going To Da Bar
  30. 30. Criticism
  31. 31. King Of Swing (Original Extended)
  32. 32. ? To Ko
  33. 33. Enter The Double H
  34. 34. The Afterword
  35. 35. Untitled 07 (Duracell-Outro)
  36. 36. Do The Funk
  37. 37. Mind Expansion
  38. 38. Competent

CD 2 (Instrumentals)

  1. 1. Competent
  2. 2. Rhythm Attack
  3. 3. Blackvinyl On Defense Condition
  4. 4. Movin' On
  5. 5. Poetical Justice
  6. 6. Brand New Style
  7. 7. Bilateral World
  8. 8. Stop Being A Fool!
  9. 9. Jazzy Move
  10. 10. Never Go Death
  11. 11. Watch This Event
  12. 12. This Beats Are Legal
  13. 13. I Don't Care A Rap
  14. 14. Can't Cope With My Dope
  15. 15. Kickin' The Facts
  16. 16. You Gotta Do Your Thing
  17. 17. Criticism
  18. 18. King Of Swing
  19. 19. Enter The Double H
  20. 20. The Afterword
  21. 21. Mind Expansion
  22. 22. Accompagnato (Jazzy Muv Part 2)
  23. 23. Fantasy 3 Beat
  24. 24. (Watch Out For) The Thrid Rail!
  25. 25. Legal(ly) Spread Dope (Instrumental Dub)
  26. 26. Offense Of The Dope Of The Dope Overfords

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