laut.de-Kritik
Tonia Reehs Projekt mit dem Schlagzeuger Rudi Fischerlehner.
Review von Giuliano BenassiHier lassen sich gleich mehrere Verweise auf die Sex Pistols finden. Die Weise, in der einige Worte geschrieben sind. Der Titel, der an das Mockumentary "The Great Rock'n'Roll Swindle" erinnert. Selbst der Bandname: "Never Mind The Bollocks" nannte die Band um Johnny Rotten ihr einziges Album und verwendete dabei einen eher anstößigen Begriff. Das Tourette-Syndrom ist eine nervliche Erkrankung, zu dessen Nebenerscheinungen auch die Koprolalie gehört, laut Duden die "krankhafte Neigung zum Aussprechen unanständiger, obszöner Wörter (meist aus dem analen Bereich)."
Statt Punk bietet der Opener allerdings ein hämmerndes Klavier, eine eindringliche, theatralisch wirkende Frauenstimme, tiefes Keyboard-Wummern und jazzige Perkussionen. Was weiter nicht verwundert, stecken hinter dem Namen die Berliner Pianistin und Sängerin Tonia Reeh und der umtriebige Schlagzeuger Rudi Fischerlehner.
Reehs Musik in Worte zu fassen fällt schwer, ist sie doch eine Energie- und Emotionsbündel, sowohl auf der Bühne als auch über die Stereoanlage. Fischerlehners verspielter Umgang mit seinem Instrument bringt allerdings eine neue Struktur in ihre Musik. Grenzen setzen sie sich offenbar keine. Mit "Grime" bieten sie eine fast schon traditionelle Klavierballade mit gelungener Bläser-Begleitung, während das folgende "Killer" wilde Flamanco-Elemente enthält. "Sexy girls get abortion, sexy girls take the anti-baby pill" erklärt Reeh im Titeltrack. Und erinnert nicht nur dadurch an Nina Hagen.
Wie gewohnt reicht Reehs Stimme von tiefem Raunen bis hin zu schrillen Höhen, nach wie vor "Hard Listening", wie sie mal ihr Schaffen als Monotekktoni einst bezeichnete. Diesmal aber mit einigen ruhigen, fast schon lieblichen Momenten.
"Verdammt, wieder eine neue Band. Oder kann man bei einem Duo schon von einer Band sprechen? Alle brauchen sie – aber keiner hat auf sie gewartet. Mit zum Himmel schreiender Dringlichkeit bohren sie ihre Songs in eure Ohren", schreibt sie selbstbewusst auf ihrer Seite. Live bei verschiedenen Festivals im Juli und August 2017 zu erleben.
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