laut.de-Kritik
Wie Xavier Naidoo - nur ohne Verschwörungstheorien.
Review von Moritz FehrleDie "samtigste Deutsch-Soulpop-Stimme, die nicht Xavier Naidoo ist", bescheinigte Kollege Brandstetter dem Karlsruher Popbarden Laith Al-Deen angesichts dessen letzter Platte "Bleib Unterwegs". Und in der Tat springt einen dieser Vergleich, wohl auch angesichts der unangenehmen Präsenz des Sohn Mannheims in Covid-Krisenzeiten, fast schon an. Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Während Naidoo seine neue Bestimmung anscheinend als geistig verwirrter Telegram-Prediger sucht, tritt Laith Al-Deen doch bedeutend sympathischer und besonnener auf.
Doch wo beide Musiker unbestritten handwerklich große Sänger sind, ließen sich im Vortrag viele Kritikpunkte fast deckungsgleich vorbringen. Nicht nur, dass auch Laith Al-Deens Auftreten mit Hall, Choratmosphäre und Händeklatschen in Songs wie "So Nah" unangenehm an religiöse Erweckerkirchen erinnert. Wenn über eine Dreiviertelstunde lang stets etwas zu dick aufgetragen auf die ganz große Emotion gezielt wird, erinnert "Kein Tag Umsonst" in mehr als einem Moment an einen Xavier ohne Verschwörungstheorien.
Wie auch bei den vorherigen Alben wird wenig dem Zufall überlassen. Alles ist, gerne sehr effektreich, bis ins letzte Detail auskomponiert - mit unterschiedlichem Ergebnis. Was etwa beim Eröffnungssong ein durchaus stimmiges Soundkonzept ergibt – druckvoller Urban-Pop, von dem sich die Adel Tawils dieser Republik gerne drei bis vier Scheiben abschneiden könnten – steuert an zu vielen Stellen leider eine so maß- wie geschmacklose Theatralik an. Für Popfreunde, die Brüche oder Understatement schätzen, findet sich hier wenig. Stattdessen wird mit Kirchenraumhall, Soundeffekten und dramatisch fließenden Klavierklängen eine pathetische Schwere erzeugt, die zu Kopf steigt wie eine geballte Ladung Adrenochrom.
Und auch textlich trifft einmal mehr der alte Merksatz zu, dass allzu viel meist ungesund ist. Sätze wie "Liebe ist ein Geschenk, weil sie die stärksten Ketten sprengt" sind schlicht viel zu sehr Pose und Klischee, als dass sie wirkliche Emotion hervorrufen könnten. Die von Johannes Falk geschriebene Single "Glaub An Dich" könnte gar im Merkblatt für Floskeln, die man beim Schreiben unbedingt vermeiden sollte, an der Popakademie in Mannheim aufgenommen werden. Schon nach einem Blick auf die Tracklist sind fünf der ersten sechs Songtitel leider Phrasen, denen durch mannigtausendfache Verwendung in Popkultur und Werbung jede ursprünglich vorhandene Aussagekraft abgeschliffen wurde.
Am Ende von "Kein Tag Umsonst" bleibt vor allem eine gehörige Menge verschenktes Potential zurück, denn reichlich Erfahrung und musikalische Begabung will ich Laith Al-Deen so wenig absprechen, wie dem Produzententeam um Udo Rinklin ein Gespür für Zeitgeist und Arrangement. So würde man Laith Al-Deen für die nächste Zeit einen grundlegenden Verzicht auf Chöre, Hall und Erlöserpose so sehr wünschen wie seinem Mannheimer Kollegen den radikalen Entzug rechter Verschwörungsblogs.
3 Kommentare mit einer Antwort
Büda büda büda büda büda büda
Songtitel, zusammengewürfelt aus den Textbausteinen der Schlagerhölle.
Besser produziert als die vorigen Alben, erinnert wieder mehr an die ersten Alben. Mir gefällt's ganz gut, auch wenn ich die Kritik in Ansätzen nachvollziehen kann - Laith verschenkt immer Potential durch die Nummer-Sicher-Produktion.