laut.de-Kritik
Blythe zeigt seine bislang größte stimmliche Bandbreite.
Review von Manuel BergerRandy Blythes Geschichte dürfte inzwischen niemandem, der auch nur am Rande mit der Metalszene in Kontakt steht, mehr unbekannt sein. Wichtig ist nur: Randy hat es überstanden, Lamb Of God sind wieder da.
Die Erwartungen an das neue Album minderten sich aufgrund der Geschehnisse und des einhergehenden Medienechos freilich keineswegs. Einerseits kann sich die Band der Aufmerksamkeit ihrer Hörerschaft sicher sein. Andererseits muss man den hoch gesteckten Ansprüchen erst einmal gerecht werden. Das gelingt zum Glück mit Bravour.
Was die meisten wohl im Vorfeld vermutet und vielleicht auch befürchtet hatten, bestätigt sich. Lamb Of God haben sich zweifellos weiterentwickelt. Das heißt aber nicht, dass sie sämtliche Trademarks über Bord werfen, in seichteren Gewässern schippern und alles mit dem Prädikat 'reifer' zu rechtfertigen versuchen. An Brutalität kann "Sturm Und Drang" mit seinen Vorgängern locker mithalten. Natürlich gibt es verhaltenere Stellen, ruhige Stellen. Natürlich gibt es Melodien. Warum auch nicht? Ein wenig Gegengewicht schadet ja keinem. Aber was beim Hören von "Sturm Und Drang" als allererstes auffällt: Randy Blythe hat eine unglaubliche Kraft.
Und mit dieser rammt er "Still Echoes" als Eröffnungsstandarte in den Boden: Ich bin wieder da. Textlich geht es gleich um seinen Gefängnisaufenthalt bzw. die Nazivergangenheit der Haftanstalt: "A thousand heads cut clean across their necks / right down the hall from me". Natürlich nicht das einzige Thema, mit dem sich Randy auf "Sturm Und Drang" beschäftigt, aber doch ein Dominantes. "512" zum Beispiel nimmt direkten Bezug auf seine Zellennummer.
Abgesehen von brutalen "Blitzkrieg"-Growls gibt "Still Echoes" zumindest einen kleinen Ausblick auf später vollends ausgespieltes Clean-Vocal Potential. Der Opener begnügt sich noch mit kurzen Sprechpassagen, "Overlord" verzichtet dann auf ein Versteckspiel. Wer hätte gedacht, dass Randy Blythe tatsächlich so gut singen kann? Im Duett mit sich selbst zeigt er in "Overlord" seine bislang größte stimmliche Bandbreite. Nach gut dreieinhalb Minuten legt die Powerballade mit Scream-Einsprengseln dann ihre Samthandschuhe ab und verwandelt sich in einen Lamb Of God-typischen Groover.
König in Sachen Groove aber ist "512". Nicht ganz so aggressiv wie manch anderer Track setzt die Nummer auf bedrohliche Lauerstellung. Dissonantes Arpeggiospiel paart sich mit Stakkato-Riffing und darüber tönt Randy einmal mehr im Sprechmodus. Hin und wieder sorgt er für pointierte Ausbrüche, die dem Song den letzten Schliff verleihen: "My hands are painted red". Mark Morton serviert obendrauf noch ein schickes Gitarrensolo.
Ähnlich Bang- und Fist-taugliches Material bietet außerdem noch "Erase This". Im Vergleich zu "512" kommt der Track wieder wesentlich direkter daher. Und haut im letzten Drittel ein wahnsinnig tightes Wah-Wah-Riff raus. So machen Breakdowns Spaß.
Brutaler wird es mit "Anthropoid". Eine kompromisslose Gangshout-Hymne, die garantiert den ein oder anderen Pit in Ekstase prügelt. Randys "We are (the apex predator)" dürfte bald in hundertfacher Multiplikation über Festivals und Konzerthallen dieser Welt hinweg schallen. Machtvoll.
Zeit, den beiden Gästen Tribut zu zollen. Chino Moreno sowie Greg Puciato geben sich die Ehre. Ersterer darf in "Embers" ran, dessen an Gojira erinnernder Refrain schon recht melodisch ausfällt. Für Chinos Auftritt bereiten die Lamb Of God-Instrumentalisten dann eine offene Kulisse, vor der der Deftones-Mann breite, wehmütige Harmoniebögen entfaltet. Das verleiht dem Track gehörige Alternative-Schlagseite, was im Zusammenspiel mit dem im Hintergrund keifenden Randy aber prächtig funktioniert.
The Dillinger Escape Plans Stimme veredelt die zehnte und damit letzte Nummer "Torches". Hier wird der Spieß umgedreht: Randy spricht im Vordergrund, Puciato quält sich dahinter mit "fire in my veins". Das Stück rückt zudem Drummer Chris Adler in ein schönes Licht. Auf Albumlänge macht insbesondere sein Bassdrum-Spiel eine Menge Spaß. Präzise gesetzte Rolls bieten auf Dauer doch bedeutend mehr Abwechslung als fortlaufendes Durchgeklöppel.
Und: es bietet mehr Stoff zum Festhalten. Wie auch das Gesamtpaket "VII: Sturm Und Drang": Die Songs bleiben hängen und behalten ihre Durchschlagskraft nach mehrmaligem Hören bei. "Sturm Und Drang" hat Riffs, hat Melodien, hat Altbekanntes, hat Neues. Vor allem aber hat es einen überragenden Randy Blythe, der seine Stimme wirklich als Instrument einzusetzen weiß. Dieser Mann gehört nicht in tschechische Zellentrakte, sondern definitiv auf die Bühne.
6 Kommentare mit 18 Antworten
Hab vor Ewigkeiten ml "Redneck" mitgekriegt und fand es eher mau. Lohnt es sich, die Band nochmal anzuchecken?
LOG ist DIE Band, deren Sound hat für mich ein Alleinstellungsmerkmal wie Meshuggah, Opeth, Tool... gibt nichts vergleichbares... Redneck ist da nicht grad Referenz, dass ist irgendwie wohl zur Hymne geworden weils so (massentauglich?) ist...
Äh, und ja, check sie nochmal an, 'Ashes of the wake' wär mein Vorschlag...
Hör dir mal "New American Gospel an", ist ihr bestes Album.
*"New American Gospel" an,
Also mir ist die Geschichte von Randy Blythe unbekannt, und man kann mich nicht gerade als genrefremd bezeichnen.
http://www.rockhard.de/news/newsarchiv/new…
Wenn du die Story nicht kennst, bist du genrefremd. Wie kann man das als Metalfan NICHT mitbekommen haben?
Indem man sich eher mit der Musik beschäftigt, als mit irgendwelcher zur Promoscheiße denunzierten "News"? Ganz nebenbei von einer Band, von der ich gerade mal ein Album gehört hab. Aber ok, wenn ich jetzt die "Geschichte" jedes Bandmitglieds einer beliebigen Metalband kennen muss, um nicht genrefremd zu sein, dann tu ich mir lieber die Vorwürfe an, anstatt mir dieses Grundwissen anzueignen.
Wo Vurst recht hat, da hat er recht. Bin ebenso nicht dem Genre abgeneigt und kenne/kannte die Story auch nicht. Ist auch nicht wirklich relevant für die Band. Denke, es sollte weiter die Leistung hier zählen und nicht das Fehlverhalten einzelner Protagonisten. LoG sind nicht schlecht, aber auch nicht wirklich SO wichtig, dass Metal-Liebhaber jetzt jeden Furtz der als News hochgepushed wird, kennen muss. Nice WE and read U.
Vlt sollte er sich nicht damit auseinandersetzen, dass er im Knast gesessen hat, sondern dass er einen Menschen auf dem Gewissen hat (Absicht oder nicht).
Musik bleibt natürlich grottig.
Vielleicht solltest du, bevor du postest, nachdenken.
Was auch immer 2010 geschehen ist, der Blythe hat dafür bezahlt. Und ich bin Verfechter des Resozialisierungs- sowie Sühnegedankens, zumal der Blythe strafrechtlicher Hinsicht nicht verurteilt wurde.
wir sollten jetzt die vorzüge und nachteile absoluter (schuldsühne) und relativer (resozialisierung; abschreckung) straftheorie diskutieren und abwägen
Och wie süß... 1. Wo hat er denn dafür bezahlt? Weil er 2 Wochen im Knast saß? Das war ja eher Urlaub.
2. Habe ich das nicht irgendwo (also quasi nirgendwo) geschrieben, dass er dafür bezahlen müsste oder sonstigen Rotz. Ich sagte nur er sollte sich damit auseinandersetzen.. Aber stimmt, dann würde das Album zu tiefgründig werden, vergessen wir das lieber.
Wer keine Ahnung hat sollte einfach mal die Klappe halten, Randy hat sich wohl damit auseinandergesetzt, es gibt sogar ein Buch von ihm über das Thema. Änder deinen Namen in Ignorisis!
Hauptsache man kann noch ein paar Dollar damit machen.. So verarbeitet man das richtig!
Geh Tee trinken.
es ist davon auszugehen, dass sich jemand, der des totschlags beschuldigt worden ist und eingesessen hat, damit auseinandergesetzt hat und es wohl zeitlebens tun wird.. habe zudem randy blythe in aussagen zu ernsten themen meist als ziemlich reflektiert wahrgenommen, vor wie seit dem vorfall, und bezogen auf den vorfall sowieso. dass er seine memoiren veröffentlicht hat - lukrativ hin oder her -
wird auch mit seiner absicht zusammenhängen, voreingenommenen leuten (wie dir?), die verurteilen, ohne zu fragen, trotzdem antworten zu geben.
mir ist diese art der aufarbeitung und auch der image-korrektur neben (!) der musik lieber, als wenn mir lamb of god ein album liefern, auf dem randy blythe seine emotionale verfassung in all ihren blüten ausbreitet. das könnte dann evtl. auf chaotische dillinger-escape-plan-pfade führen oder aber die musik stark atmosphärisch und überwiegend melancholisch werden lassen. ich mag beides, vor allem letzteres, aber als dominierendes moment hat beides für mich bei lamb of god nichts zu suchen, sondern nur in kleineren prisen. wenn ich lamb of god höre, will ich in erster linie musikalisch auf die fresse bekommen und im kopf hulk sein, nicht hamlet.
daher bin ich dankbar, dass laut der review das album insgesamt LoG-typisch nach vorne geht und dass sich die veränderungen im rahmen halten. und so schließt sich der kreis, denn zu diesen veränderungen zählt wohl auch, dass puciato von the dillinger escape plan und chino moreno von den deftones laut review mit von der partie sind, von denen der eine für mich für chaotische gefühle steht, der andere für vertonte verzweiflung. neben stilistischen veränderungen (siehe offizielle musikvideos) und bestimmten lyrischen schwerpunkten (siehe rezension) zeigt auch die auswahl der gastinterpreten, dass auch musikalisch randy blythe gewillt zu sein scheint, seine auseinandersetzung mit dem vorfall in einem (natürlicherweise) begrenzten umfang teilen, ohne dass der groove metal von lamb of god seinen saft verliert.
Der Typ hatte immerhin die Eier, zum Prozess nach Tschechien zurückzukehren, obwohl ihm einige Jahre Haft drohten. Er hätte sich dem auch entziehen können, die USA kamen dem Rechtshilfeersuchen schließlich nicht nach. Das verdient schonmal Respekt. Nach allem, was ich zu dem Hergang gelesen habe, war der Freispruch auch richtig.
Album taugt mir übrigens wohl
Was soll das heissen "er hat einen Menschen auf dem Gewissen"? Er wurde in allen Punkten freigesprochen. Es wurde außerdem festgestellt, dass ein Security den Fan von der Bühne gedrängt hat. Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fr**** halten!
Was höre ich hier für Blasphemie? Nachdem Machine Head mit ihrer letztem Longplayer Kredit eingebüßt haben, sind LoG noch einer der letzten Bands die regelmäßig abliefern. Bin noch beim ersten Durchgang, Urteil folgt.
Nanana, Machine Head liefern, zwar durchwachsen, aber sie liefern.
Album finde ich tatsächlich schwächer als die letzten 4. Es fehlen die geilen Ideen, gerade die experimentellen Songs finde ich am schwächsten. Wirkt eher so wie die Resterampe vergangener Aufnahmen.
Viel stärker als der Vorgänger, alleine das Talk-Box Solo bei Erease This ist das Album wert!