laut.de-Kritik
Schöner Gewehrsalven nie klangen ...
Review von Michael SchuhJamaica-Ska und kein Ende. Seit "Rise & Fall" als Vinylscheibe bei LAUT reinkam, freuen sich viele Kollegen ungeniert, dass in unseren Redaktionsräumen noch kein Plattenspieler thront. Törichte Meute. Karibik-Feeling kommt nämlich nicht nur nach 'ner Pulle Jamaica Rum oder Tabakzusatz auf, sondern auch bei den Klängen von Laurel Aitken, der Lokomotive von Kingston.
Nachdem ihm mit "Jamboree" letztes Jahr ein beeindruckendes Alterswerk gelang, gibts hier wieder altes, teilweise verschollenes Material aus den Jahren 1960-79. Selbst Aitkens Privatbesitz musste herhalten. Daraus könnte dann das unveröffentlichte "Rastaman Power" stammen, ein smoothes Stück Reggae aus den 70ern.
An Aitkens frühen Kompositionen ist der Boogie-Einfluss der Ska-Anfänge schön abzulesen. So klang um 1960 die jamaikanische Interpretation der ersten aus Amerika importierten Rhythm'n'Blues-Tracks. Sehr empfehlenswert ist das smarte "You Got Me Rockin'" mit süßlich triefender Hookline. Auch "Back To New Orleans", "Bug-A-Boo" und "Brother David" sind alte Heuler, die niemals ohne ein Blechbläser-Solo auskommen. Mit "Boogie Rock" ist die allererste Veröffentlichung des "Bluebeat"-Labels vertreten. Achtung, Ska History: Das Label gab dem Genre kurzzeitig seinen Namen, bis Ende der 60er "Ska" eingeführt wurde.
Zu dieser Zeit, als auch Lee Perry mit den Wailers Klassiker zusammen dampfte, bannte Aitken für Pama Records große Songs auf Rille. Skinhead Reggae-Klassiker wie "Skinhead Train" und "Rise & Fall" ebneten mit sexistischen Anspielungen den Weg für Rudeboy Judge Dread: "Good evening ladies and gentlemen, Laurel Aitken rides again. Suck it to me!" Kollege Edele würde die Nummer "Fire In My Fire" wohl spontan mit "Feuer in den Klöten" übersetzen. Und hätte damit sogar Recht.
In "Heile Heile" preist der Godfather wie viele seiner Zeitgenossen damals den äthiopischen König Heile Selassie, auch der Löwe von Judäa genannt. Als Juwel der Rocksteady-Sammlung kröne ich "It's Too Late" mit kitschigen Streicher-Arrangements und weiblichen Backing Vocals. So ist "Rise & Fall" ein gelungener Ein- bzw. Rückblick in Aitkens hörenswertes Repertoire geworden.
Der Abschlusstrack gibt außerdem Anlass, sich auf den nächsten Kabel 1-Spaghetti Western sinnvoll vorzubereiten: "J-A-M-E-S. James. Jesse James rides again". Schöner Gewehrsalven nie klangen ...
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