laut.de-Kritik

Musik von Herzen, die zu Herzen geht.

Review von

Selbst mich als seit Jahren bekennenden Fan der Eidgenossenschaft verblüfft es immer wieder, welche zauberhaften Blüten die Musikszene unserer alpenländischen Nachbarn zuweilen treibt. Nie im Leben hätte ich die Wurzeln des warmen, satten Klangs von "Inner Exile" ausgerechnet in Zürich vermutet.

Ohne dass er sich gängiger Reggae-Klischees bediente, hantiert Lee Everton entspannt mit Melodien und Instrumenten und durchwirkt seine Arrangements mit karibischem Flair, dass es - nicht nur angesichts der vor dem Fenster herrschenden eisigen Temperaturen - eine wahre Freude ist. Keyboards, die allgegenwärtige Gitarre, gut platzierte Basslinien, dazu ab und an ein paar gedämpfte Bläser und Percussion-Elemente, die Insekten in einer sommerlichen Wiese gleich durch den Hintergrund zirpen, konstruieren den Rahmen für einen Sänger, dessen sämtliches Herzblut in der Stimme liegt.

Lee Everton gelingt das Kunststück, verspieltes, detailreiches Songwriting bescheiden, schlicht und wie mühelos aus dem Handgelenk dahin geklimpert wirken zu lassen. Trotz der leisen Melancholie, die in und zwischen den Zeilen schwingt, bekommt Trübsal keine Chance. Nicht nur in seiner Interpretation von "I Ain't Got No Home", einer Nummer, die ich von Woody Guthrie kenne, verwandelt Lee Everton die Schwere des Blues mit einem Hauch Roots-Reggae in eine fröhliche Pfeifdrauf-Stimmung, die den bärtigen Barden zwischen klampfenden Strandjungs wie Johnson und Frankenreiter bestens verstaubar macht. "You don't have to worry, things will be alright."

Musikalisch spannt der Zürcher, dessen Stimme den Vergleich mit Van Morrison geradezu erzwingt, einen weiten Bogen von Bob zu Bob, von Dylan zu Marley. Aus der Ferne scheint der Wind Spuren von "Tears In Heaven" und "A Whiter Shade Of Pale" herüber zu wehen. Wir hören Singer/Songwriter-Style mit großzügiger Beimengung jamaikanischer Volksmusik, Folk, Soul und eben Blues.

Schade nur, dass das Verhältnis der einzelnen Elemente zueinander von Song zu Song kaum bis gar nicht variiert. Dem unaufmerksamen Hörer ergibt sich so der Eindruck, er lausche in Dauerrotation wieder und wieder der gleichen hübschen Nummer. Unter der Lupe erschließen sich die Unterschiede zwar: Hier kommt eine Akustikgitarre, dort der Bass besonders zur Geltung. "King Vapor" tönt eine Spur dunkler. "Comfort Me" fährt Backgroundgesänge auf, während "Come Closer To Me" am Ende des Albums für einen superzarten Ausklang sorgt. Allein: Man braucht sie eben, die Lupe.

Dennoch: Mag sein, dass es "Inner Exile" auf Albumlänge an Abwechslung fehlt. Mag sein, dass das Strickmuster sämtlicher Songs identisch ist. Lee Evertons Musik kommt von Herzen und geht zu Herzen. Seine "Slingstyle Music" veredelt auch trübe Tage mit bittersüßem Aroma und lässt mich mit leisem Lächeln zurück. Dafür kann man nicht dankbar genug sein.

Trackliste

  1. 1. I Feel Like Dancing
  2. 2. You Ain't Good To Me No More
  3. 3. Inner Exile
  4. 4. King Vapor
  5. 5. So Proud Of You
  6. 6. Bring It Home To Me
  7. 7. Cold Wind Blow
  8. 8. April
  9. 9. Genova
  10. 10. Won't Keep Knocking
  11. 11. Comfort Me
  12. 12. Down To The River
  13. 13. I Ain't Got No Home
  14. 14. Slingstyle Music
  15. 15. Come Closer To Me

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