laut.de-Kritik
Vintage-Soul für die Herren der Schöpfung.
Review von David HilzendegenWie generiert man einen Klassiker? Man nehme Soul, Afro-Soul und Afrobeat in der jeweiligen Vintage-Version, vermische die Mitglieder der diesbezüglich aktuell besten und bekanntesten Bands und stelle ihnen einen Sänger zur Seite, der Zeit seines Lebens dem Soul verhaftet ist.
Selbstverständlich ist die Rede von den unvergleichlichen Dap-Kings und der Budos Band, komplettiert durch das Antibalas Afrobeat Orchestra. Schon 2004 rauften sich einige Mitglieder auf Einladung des Labels Truth & Soul zu den Expressions zusammen. Die namentliche Ähnlichkeit zu Curtis Mayfield und seinen Impressions sei ihm dabei nie bewusst aufgefallen, so Lee Fields.
Dem Sänger, dessen selbstproduzierte und -veröffentlichte Singles aus den 1970ern zu den begehrten Raritäten eines jeden Vinylsammlers zählen, war aus unerfindlichen Gründen der ganz große Erfolg verwehrt geblieben. Erst in den letzten Jahren macht er sich in der breiteren Öffentlichkeit einen Namen durch seine Gastspiele auf den Platten Markus Solveigs oder dem herrlich kitschigen und schmachtenden Duett mit Sharon Jones auf deren Scheibe "Naturally".
Dass es für den großen Wurf irgendwie nie gereicht hat, mag auch daran liegen, dass Lee Fields ein bißchen wie eine Kreuzung aus Al Green und James Brown wirkt. Ihm deshalb die Originalität abzusprechen wäre Fehl am Platz, er füllt vielmehr die Schnittstelle zwischen zwei der größten Namen der Soulgeschichte perfekt aus. Ersterer feierte bereits im vergangenen Jahr ein Riesencomeback, "My World" steht Greens "Lay It Down" in nichts nach.
Es ist die klassische Soulrezeptur, die Fields zusammenmischt: Er erzählt von Frauen, deren Anmut mit "vergötterungswürdig" noch zu bescheiden beschrieben wäre und der Mann, der dieser Eigenschaft hoffnungslos unterlegen ist. "What can a man do, when a woman is all he's got?", fragt er beinahe verzweifelt im Opener, um später zu konstatieren: "My world is empty without you." Wir haben es schwer, wir Herren der Schöpfung, Knechte des Weibes.
Zwischenzeitlich toben sich die Expressions in "Expression Theme", "These Moments" und "Last Ride" noch instrumental aus, ansonsten bleiben sie musikalisch weitgehend zurückhaltend. Den Themen der Lieder entsprechend sind die Songs klar strukturiert, keine überfüllten Uptempo-Stücke, vielmehr steht die Untermalung Lee Fields' im Vordergrund. Groovende Basslinien, funky Bläser, Orgel und Gitarren, hin und wieder mit Wah-Wah-Effekt. Letzteres besonders in "Ladies", das die Frauenlobhudelei endgültig auf die Spitze treibt: "Short ones, tall ones, big ones, small ones. Beautiful Ladies, lovely ladies, you look so good in the summertime."
Bei so viel Abhängigkeit, die selbstverständlich klassisch mit Geschenken und Einladungen einhergeht, offenbaren sich noch ganz andere Probleme: "It's a sad sad world when money is king", wobei die doch vorhandene Ähnlichkeit mit James Brown am offensichtlichsten wird. Nicht umsonst nannte man Fields zu Beginn seiner Laufbahn auch "Little JB".
Na gut, um das Gipfelkreuz des Soulolymps zu erreichen und sich neben dem Godfather auch zwischen Stevie Wonder, Marvin Gaye und Otis Redding niederzulassen, kommt "My World" mindestens 30 Jahre zu spät. Aber um der jüngeren Generation traditionellen Soul zu zeigen, der weder verstaubt noch um jeden Preis auf alt getrimmt wirkt, reicht es allemal. Und so ein Vintage-Klassiker hat doch auch seinen Charme.
1 Kommentar
Vielleicht die Soul-Platte des Jahres.
Großartig!
http://soulgurusounds.blogspot.com/2009/07…