laut.de-Kritik

Aus Göttern werden Menschen.

Review von

"Wir wollten diesmal Dinge ausprobieren, die wir bisher noch nicht im Programm hatten", berichtet Letlive-Sänger Jason Aalon Butler. Kenner der Band werden nach diesem Statement um ein fragendes Kopfkratzen nicht herum kommen. Hatten die Kalifornier nicht schon auf ihren ersten beiden Alben "Speak Like You Talk" und "Fake History" in so ziemlich jedem Sektor der Rock-Branche gewildert? Oh ja, das haben sie. Was könnte demnach noch fehlen?

Der Opener "Banshee (Ghost Fame)" kommt erst einmal in gewohnter Sound-Garderobe daher. Krachende Gitarren treffen auf infernalisches Drum-Gebolze, während sich Butler in der Gesangskabine die Seele aus dem Leib schreit. Nach einer Minute wendet sich jedoch das Blatt. Der Beat wird strukturierter. Aus dem kläffenden Core-Frontmann wird plötzlich ein Hip Hop-affines Stehaufmännchen.

Erinnerungen werden wach an Zeiten, in denen Bands wie Rage Against The Machine, Biohazard, Dog Eat Dog und Downset die Festivalbühnen dieser Welt beherrschten. Der Überraschungseffekt hält sich dennoch in Grenzen, was aber nichts an der hohen Qualität des Einstiegs ändert.

Auch das anschließende Paket aus pfeilschnellen Powerchords und nicht minder flotten Kesselspielen im Background ("Empty Elvis") präsentiert die Band nicht gerade in gänzlich neuem Lichte. Aber auch hier gilt: Krawallo-Herz, was willst du mehr? Mit dem Pop-versus-Post-Hardcore-Schlagabtausch "White America's Beautiful Black Market" schielt der L.A.-Vierer verdächtig in Richtung Alternative-Charts, ehe das groovige "Dreamers Disease" Deftones- und Boyband-Fans zur klärenden Aussprache an einen Tisch bringt.

Auch das folgende "That Fear Fever" bemüht sich redlich um eine harmonische Zusammenkunft von hart und weich, während sich das ungewohnt ruhige "Virgin Dirt" in geheimnisvollen Sphären verirrt. Macht nichts. Wer landet schon mit jedem Schuss einen Treffer? Mit dem eher belanglosen und ziemlich überzuckerten "Younger" ballert das Kollektiv allerdings ebenfalls am Ziel vorbei. Reicht die Luft am Ende nicht aus, um den Sack zuzumachen?

Mit "The Dope Beat" zeigen Letlive Papa Roach unmissverständlich die Grenzen auf und finden wieder in die Spur zurück. Euphorisiert von der geglückten Wiederkehr sprudelt die Band vor Tatendrang nur so über ("The Priest And Used Cars"). Kurz vor Toresschluss gönnt sich der Vierer noch mal eine kurze Atempause ("Pheromone Cvlt"), ehe die Amerikaner mit dem Rausschmeißer "27 Club" noch mal alle Loudness-Register ziehen.

Welche "Dinge" waren jetzt aber neu? Meinte der Sänger vielleicht die beiden Luftlöcher "Virgin Dirt" und "Younger", als er von Neuerungen sprach? Na klar, jetzt fällt der Groschen. Zwei Füller auf einem Album: Das gab's bei Letlive bisher noch nie. Gut, dass das noch geklärt werden konnte. Sind also doch keine Götter, nur Menschen wie du und ich. Schön zu wissen.

Trackliste

  1. 1. Banshee (Ghost Fame)
  2. 2. Empty Elvis
  3. 3. White America's Beautiful Black Market
  4. 4. Dreamer's Disease
  5. 5. That Fear Fever
  6. 6. Virgin Dirt
  7. 7. Younger
  8. 8. The Dope Beat
  9. 9. The Priest And Used Cars
  10. 10. Pheromone Cvlt
  11. 11. 27 Club

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