laut.de-Kritik
Verträumt ins Unterbewusstsein, brachial in die Kakophonie.
Review von Philipp KauseLeyla McCalla steht für angejazzte Songwriter-Musik aus den Südstaaten. Mit ätherischer Stimme tänzelt die Country-, Soul- und Cajun-Liebhaberin durch ihren Alternative-Folkpop. Manchmal, wie in "Love We Had" oder "Tree" gestaltet sie ihre sanften Sounds eine Schippe härter, robuster, spröder, vehementer. In "Tree" lädt sie die zerbrechliche Stimmung mit brachialen Verstärker-Parts auf. Mit Stolpern der Percussion lässt sie die Komposition aus 'braven' Songstrukturen allmählich ins Improvisierte, schließlich Wilde und gar Kakophonische übergleiten.
"Sun Without The Heat" ist ein smoothes Album, meistens. Anfangs sogar ein verträumtes. Es lässt sich zunächst leicht nebenbei abspielen. Die Texte, beispielsweise im naturverbundenen Titelsong, pflegen philosophische Weisheit(en). Inspiration zieht die Künstlerin aus der afrofuturistischen Literatur. Hin und wieder entfaltet sich ein Rickie Lee Jones-Vibe in der Performance.
Leyla veröffentlichte am selben Tag wie ihr eigenes Album einen Track auf dem für sie wichtigen Projekt "My Black Country. The Songs Of Alice Randall". Auf diesem Tribute an die Schriftstellerin und (Black) Country-Songschreiberin Alice Randall machen Leyla und einige Mitstreiterinnen aus der aktuellen Alt'-Folk-Szene auf die Existenz einer dunkelhäutigen Frau in der Country-Hauptstadt Nashville aufmerksam und feiern sie als Role Model. Rhiannon Giddens, Allison Russell und Valerie June zählen zu den weiteren Beteiligten, die alle selbst Frauen mit afroamerikanischem Background sind. So ein Engagement im 'intersektionalen' Feminismus gehört zur Identität Leyla McCallas: Typus Folksängerin, die das Bewusstsein in der Welt schärfen und verändern will.
Am besten erregt man im Bewusstsein Aufmerksamkeit übers Unterbewusstsein, mit Musik, die rasch ins Ohr fließt und sich dort nachhaltig festsetzt. "Tower" ist so ein Ohrwurm auf Leylas neuem Solo-Album. Mit einem Intro, das an Gershwins "Summertime" anknüpft, mit einem Desert-Rock-Mittelteil, ein bisschen Rock'n'Roll, einer Prise Morricone. Transparente Klänge, die jedes Schwingen jeder Saite mikroskopisch offen legen, bietet "Give Yourself A Break". Um sich mal eine Pause zu gönnen, als Soundtrack für einen Break, eignen sich einige Tracks wunderbar, schon der Startsong "Open The Road". Auf der Klavierballade "I Want To Believe" erlebt man die 38-jährige Gitarristin und Banjospielerin dann schließlich auch sehr wirkungsvoll am Cello. Es veredelt die intime Stimmung in diesem tollen Stück Kammermusik.
"Sun Without The Heat" ist eine sonnige Platte, durchaus mit schattig-kühler Distanz und immer dann schroff, wenn es mal zu lieblich werden könnte.
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