laut.de-Kritik
Hier denkt man nur noch an niedere Instinkte ...
Review von Alexander EngelenLiebe Leute, vergesst Red Bull. Gut, der steirische Stier-Urin schmeckt ganz passabel und verleiht auch (besonders in Verbindung mit Vodka) Flügel. Doch aus dem amerikanischen Süden kommt ein anderer Sirup, der das Taurin im Gummibärchensaft zu Valium gefrieren lässt: "Crunk Juice". Kanisterweise haben Lil Jon und seine East Side Boyz den edlen Tropfen gekeltert, um in den Clubs vom Süd- bis zum Nordpol die Tanzflächen zu fluten: Mateschitz erobert die Formel Eins, Lil Jon die ganze Welt.
Mal ehrlich, wer hat sich dem durchgeknallten Produzenten in diesem Jahr entziehen können? Niemand, denn Ushers "Yeah" war wohl rund um den Globus omnipräsenter als die Fratzen von George Bush und Michael Moore zusammen. Und auch vor der Synthie-Penetration in Album-Form wird die Musikwelt nicht fliehen können.
Lil Jon holt weiter Klänge aus seiner 808 raus, die in den Neunzigern typisch für die Euro Dance-Riege um 2 Unlimited und Konsorten waren. Den Grund, wieso dieser abgedrehte Sound plötzlich gefällt, kennt dabei Gott allein. Eins ist sicher, der Herr meint es gut mit Lil Jon. Der darf nämlich mittlerweile um die 100.000 Dollar für einen Beat verlangen. Und seiner Einladung, an seinem eigenen Album mitzuwirken, folgten Millionenseller wie Ice Cube, über Ludacris und R. Kelly, bis hin zu Snoop Dogg ohne mit der Wimper zu zucken.
Sein Sound brummt aber auch, dass die Schwarte kracht. Lil Jons Bassläufe drücken so auf die Magengegend, dass man unverzüglich die nächste Toilette suchen muss. Nur die Synthies halten einen da noch auf der Tanzfläche. Ja, bei "Crunk Juice" denkt man nur noch an niedere Instinkte. Und das ist auch gut so. Oder vermisst vielleicht irgendjemand während einer schweißtreibenden Schüttelaktion auf der Tanzfläche einen Lyricist wie etwa Nas? Der übrigens auch auf die simplen Elektro-Banger Lil Jons vertraut.
Für Polarisierung bleibt bei Lil Jon einfach keine Zeit. Spätestens die erste Bass-Line streckt jeden Kritiker nieder. Und jeder, der sich über Jons Gebrülle, die vermeintliche musikalische Beschränktheit oder sonst was aufregt, soll sich ehrlich fragen, wie oft er in der letzten Woche unbewusst Ushers "Yeah" vor sich hin gepfiffen hat. Außerdem sei allen Bedenkenträgern gesagt, dass die neue Kollaboration von Lil Jon, Usher und Ludacris ("Lovers & Friends") auch ohne Probleme auf der eigenen Hochzeit gespielt werden kann.
Lil Jon beendet mit "Crunk Juice" fulminant sein Jahr (Sorry, Kanye!). Als Preis schlage ich eine mit Edelsteinen besetzte Signature-808 mit speziellem Kelchhalter vor. Die macht sich ohne Frage gut neben den zahlreichen Source-, MTV- und was auch immer Awards. Ach ja, ich hörte von Gerüchten über ein gemeinsames Album mit Timbaland. Gott steh uns bei.
1 Kommentar
Ein für meinen Musikgeschmack perfektes Album. Einfach Klasse