laut.de-Kritik

Atmosphärisches Schweinegrunzen von Sidos Tour-DJ.

Review von

So habe ich mir eine Instrumental-Platte vom Tour-DJ von Sido wahrlich nicht vorgestellt! Da tropft Musikalität, Emotionalität und Atmosphäre aus allen Ecken. Das ist ganz weit weg von Klischees, plumpem Sarkasmus oder dreckigem Humor. Dieser Mix aus Elektro, Chill-Out-Sound und Rap ist von Aggro jedenfalls so weit entfernt wie Fler von Falco.

Die Long Lost Relatives sind ein Künstlerkollektiv um den Berliner DJ Werd, der sich bei den auch aus Berlin stammenden Duos Montags Dust, dem Rapper Sundiata aus San Francisco, dem New Yorker MC Thailan und etlichen Gastmusikern Unterstützung geholt hat. Gemeinsam haben sie sich zur Aufgabe gemacht, "Twilight" mit so vielen Gefühlslagen voll zu packen, dass sich die Hörer vollends darin verlieren können. Musik für jede Stimmung.

Eins ist klar: dieser Sound wird verprellten Aggro Berlin-Fans bestenfalls beim Runterkommen von den Drogen helfen, die Sido ihnen empfohlen hat. "Fuffies im Club" lassen sich dazu nicht schmeißen. Wer will das aber schon, wenn sich dumpfe Basslines ins Gehör schrauben, sphärische Synthies wie Nebel auf die Synapsen legen und prophetisch-abgefahrene Raps vom Stapel gelassen werden. Bereits das Intro "Noah's Landing" ist so vielschichtig, so gehaltvoll, dass es einem die Sprache verschlägt. Auf treibenden Stammestrommeln scratcht sich Werd durch die Insassen von Noahs Arche und hinterlässt ein Meer voll Freudentränen. So atmosphärisches Schweinegrunzen gab es noch nie.

Die Stimmungen wechseln schnell. "The Current" klingt wie ein morgendlicher Sonnenaufgang, "Regeneration" wie der endlose Flug im luftleeren Raum. Rapper Sundiata hört sich dabei verdächtig nach Aesop Rock an, was der Qualität des Tracks natürlich mehr als gut tut. Es geht so weiter. Violinen werden gestrichen, Bässe und Drums gehauen, Harfen gezupft und elektronische Töne in unbekannte Welten geschickt. "Sand" könnte locker als Hintergrundmusik für die Neuauflage der Winnetou-Klassiker herhalten, während "Sensibilities" stellenweise perfekt bei einem Stummfilm der 20er Jahre aufgehoben wäre.

Der Soundteppich bleibt dabei stets dicht und farbenfroh. Instrumente und Tempo ändern sich wie die Gefühlslagen – Beklemmung, Freude, Gänsehaut und Traurigkeit wechseln sich ab. Keine Frage, man braucht die richtige Stimmung für den Genuss der Long Lost Relatives. Wer sich aber darauf einlässt, wird Großes erleben. Ganz bestimmt.

Trackliste

  1. 1. Noah's Landing
  2. 2. The Current
  3. 3. Regeneration
  4. 4. Beat, Breath
  5. 5. Sunset
  6. 6. I Am (reflections)
  7. 7. Desolate Being
  8. 8. She's Sleeping
  9. 9. Sand
  10. 10. Adaptations
  11. 11. Alone?
  12. 12. Sensibilities
  13. 13. Open Eyes
  14. 14. The Chase

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