laut.de-Kritik
Instrumentaler Rausch mit praller und prickelnder Surf-Exotik.
Review von Kerstin KratochwillMelancholische Pandemie-Songs über Isolation und Identität sind so 2021: Los Bitchos aus London läuten 2022 mit Kuhglocken, Bongos und Shaker das Ende der Seuche ein und verkünden dies auf ihrem furiosen Debüt "Let The Festivities Begin!". Und wie gerne lässt man sich von den vier Musikerinnen und ihrem instrumentalen Partyrausch-Album einlullen und folgt ihrem psychedelischen Pop, sonnigen Surf-Sound und coolen Cumbia-Rhythmen hinein in einen halluzinativen Traum.
Die wilde Mischung ist den verschiedensten Einflüssen geschuldet, die die Wahl-Londonerinnen in ihre Musik einbringen: Keytar und Keyboard spielt Agustina Ruiz aus Uruquay. Bassistin Josefine Jonsson kommt aus Schweden, und mit Schlagzeugerin Nic Crawshaw findet sich auch eine Britin in der Band. Gitarristin Serra Petale kam schließlich in Australien zur Welt, hat türkische Wurzeln und sagt, sie wollte so so klingen wie Van Halen zusammen mit den Cocteau Twins – nur aus der Türkei.
All das und mehr vermengt das Quartett zu einer unwiderstehlichen, so rockigen wie dreamigen Mischung, so dass man beispielsweise im Track "FFS" anatolischen Rock verarbeitet hört. "Pista (Fresh Start)" schwingt mit Surf-Rock-Gitarren, und die erste Single "Las Panteras" ist infektiöser Disco-Funk mit südamerikanischem Weirdo-Flair. Dass das alles nicht beliebig nach einem bemühtem Vintage-Aufguss klingt, sondern bezaubernd zwingend, ist die große Stärke dieses Albums.
Los Bitchos beendeten die Aufnahme des Albums, das von Franz-Ferdinand-Frontmann Alex Kapranos produziert wurde, kurz vor dem Ausbruch der Pandemie, und diese drehte eine unbeschwerte Party-Stimmung bekanntermaßen auf Null: Dass nun ausgerechnet diese lyriclose Werk als Licht am Horizont erscheint, könnte man getrost als Aufforderung sehen. Doch es sind genug der Worte gewechselt, lasst mich nun auch endlich wieder tanzen. In diesem Sinn, Let The Festivities Begin!
2 Kommentare mit 4 Antworten
Saudoofer Name, Musik aber ziemlich gut! King-Gizzard-Effekt.
Steht bald im Regal!
(wurde mir btw bereits vom bösen Spotify Algorhitmus empfohlen )
Bei Schrottify hätte ichs sofort weggedrückt wegen des doofen Namens.
King Gizzard machen mir mehr Spaß, aber ganz nett im Hintergrund zu hören.
Mit King Gizzard haben die auch außer doofen Bandnamen nix gemein. Klar, sind keine herausragenden Songs hier. Macht aber Laune und hat Charme.
World Music hat gerade wieder einen gewissen Reiz bekommen, scheint mir. Beirut ist auf dieser Welle ja schon sehr lange erfolgreich. Durch den exotischen Reiz kann man das alles auch prima mit durchschnittlichen Songs zusammenmischen und diese veredeln. Haben Dead Can Dance in den 80ern und Enigma in den 90ern ja auch nicht anders gemacht...
Peter Gabriel sei dazu als Förderer echter World Music noch erwähnt. Da sind so viele Perlen auf seinem Label zu finden, wenn man echtes Interesse daran hat.
Ach so: das Album klingt als Hintergrundmusik ganz gut, erinnert mich an Tito & Tarantula, die ohne Gesang im Kaffeehaus aus den USA spielen.