laut.de-Kritik
Grunge und Nu Rap mit zu wenigen Höhepunkten.
Review von Jakob HertlMit tiefer, rauchiger Stimme, pinken Haaren und als selbsternannter "Rebell" und "Nu Rapper" macht der Stuttgarter Lostboi Lino seit 2021 auf sich aufmerksam. Seine erste Platte "Lost Tape" bildete eine spannende Mischung aus Hip Hop, Pop sowie Grunge- und Rock-Einflüssen, klang irgendwie erfrischend. Nun hat er mit "Phase" nachgelegt. Die Ansätze stimmen, dem Endprodukt fehlt oft aber das gewisse Etwas.
"VEAS", die Kurzform von "Von einem anderen Stern", deutet mit dem Text über Einsamkeit und Fremdgefühl in einer kaputten Welt direkt den inhaltlichen Konsens der Platte an. Insgesamt sind die Lyrics meist eine Mischung aus wütend und gleichgültig, mal resignierend, mal ermutigend. Friede, Freude, Eierkuchen gibt es auf "Phase" aber definitiv nicht. Manchmal wirkt das sehr emotional und man bekommt tiefe Einblicke in Linos Gefühlswelt ("Doch danke, lieber Gott, dass ich noch da bin"), an anderen Stellen scheinen die Texte monoton und austauschbar.
Das kann man auch auf die Musik übertragen. Nachdem "VEAS" den vielversprechenden Start macht, enttäuscht das wenig powervolle "Hilfe" bis auf die Instrumental-Bridge am Ende ziemlich. "Entertain Mich" führt durch die Gitarre im Intro den Grunge-Vibe ein, der laut der Chimperator-Ankündigung das vorherrschende musikalische Motiv der Platte sein soll ("Grunge und 90er meets Trap und 2023"). Mit der Line "Jetzt bin ich da, verdammte Scheiße, entertain mich" folgt im Refrain sogar noch die Hommage an Nirvanas "Smells Like Teen Spirit". An die elektrisierenden Stimmung, die Kurt und Co. in ihrer Musik transportieren, kommt der Song aber nicht ran.
Der Titeltrack "Phase" erinnert musikalisch an "Gewitter" und inhaltlich an "Erste Schritte" – und damit an zwei der besten Songs von Linos erstem Album. Die Gitarren-Akzente im Verse sind nice, im Refrain bleibt eine Sound-Explosion aber aus. Gleiches gilt für "Sonnenmond" – kurze Hoffnung nach den ersten 30 Sekunden, der Refrain dann aber wieder sterbenslangweilig.
Dieses Schema zieht sich durch die erste Hälfte des Albums. Höhepunkte deuten sich an, kommen dann aber nicht. Eigentlich solide Strophen gehen ohne einen guten Chorus leider unter. Als man schon fast aufgegeben hat, bringt "Bombay" mit Arkan45 noch einmal Abwechslung und überzeugt trotz eher belanglosem Text mit einer coolen Mischung aus kratziger Gitarre, düsterem Bass und endlich mal einer gescheiten Kickdrum.
Es geht weiter bergauf, "Designer" hat – wenn auch mit Drums ohne Power – irgendwie Groove und Ohrwurmcharakter. Vor allem die Pre-Hook catcht und erinnert mich an einen bekannten Song, ich komme aber ums Verrecken nicht drauf, an welchen. "Loser" ist vielleicht kein absolutes Highlight, aber trotzdem ganz nett und funktioniert – wie ich bezeugen kann – zumindest live auf jeden Fall.
Es folgt einer der besten Songs, "Formular". Witzige Synthies im 80s-Style, witziger Text, diese Abwechslung tut der Platte gut und macht auf dem Track richtig Spaß. Die Vorstellung, auf der Suche nach Liebe mit Blumen von Amt zu Amt zu laufen, hat mir zumindest ein kurzes Schmunzeln ins Gesicht gezaubert. Über welche Blumen sich die stets gut gelaunten Mitarbeiter am Schalter im Einwohnermeldeamt wohl am meisten freuen würden?
Damit ist man eigentlich schon am Ende angekommen, mit "Kopf Über Wasser" und "Himmel" hat sich Lino die beiden langweiligsten Songs nämlich für den Schluss aufgehoben. Trotz des einen oder anderen starken Titels bleibt man im Endeffekt ein wenig enttäuscht zurück.
Ganz oft war das Potenzial da, wurde aber nicht wirklich genutzt. Schlecht macht das "Phase" nicht – überhaupt nicht. Über das Attribut "so lala" kommt es aber nicht hinaus. Auch den Hip Hop-Einflüssen, von denen sich Lostboi Lino mit dieser Platte offenbar erst mal verabschiedet hat, trauere ich ein bisschen nach. Aber vielleicht kommen die in Zukunft ja wieder – ist schließlich nur eine "Phase".
2 Kommentare mit einer Antwort
Hat mit Rap irgendwie nix zu tun, halb gesprochenen, rotzigen Vortrag gibt es eher und vor allem im Punk. Das hier ist halt Poprock für's Kinderzimmer, würd ich sagen. Dafür nicht schlecht gemacht. Aber unfassbar unspannend, wenn man über 15 ist.
Und Crazes Zeigefinger so aufm Bestellbaddn: https://youtu.be/b6XOyUey4nQ
Bidde unsinniggn Haid umgehend einstelle hm, ok?