laut.de-Kritik
"You only know what you know, when you know it."
Review von Anastasia HartleibWer noch einmal erleben möchte, was die Pubertät so mit uns Mädels macht, braucht nur den Namen Lukas Rieger fallen zu lassen. Unfertige Körper fangen an zu zittern, Schrei-Impulse fordern die Stimmbänder, während Köpfe rot anlaufen und die ausgeschütteten Hormone den Haushalt so überfordern, dass die Tränen den mühsam aufgetragenen Mascara übers ganze Gesicht verteilen. Gelegentlich kommt es auch zu Ohnmachtsanfällen, die mitunter in eine Massenpanik bei Minderjährigen mündet.
Die Frage, wie zum Henker Lukas Rieger einen deratigen Hype auslösen konnte, dass er mit 18 Jahren schon eine eigene Biografie in Buchform bekommt, sollte sich demnach erübrigen. Die Hormone, was soll man machen. Sein neuestes Album hat der gebürtige Hannoveraner jedenfalls gleich mal nach seinem Büchlein benannt: "Code", kurz für "Der Lukas Rieger Code". Clevere Cross-Promotion eigentlich. Nur blöd, wenn es halt keinen wirklichen Inhalt gibt, für den sich die Werbung lohnte.
Rieger macht genau da weiter, wo er mit "Compass" aufgehört hat. Englische Texte auf gleich klingenden Baukasten-Pop-Kompositionen. Hier ein bisschen trappig, da ein bisschen tropisch, Austauschbarbakeit spielt keine Rolle, das Geld muss stimmen. Sein flaches Stimmchen scheint auch mit Erreichen der Volljährigkeit keine Kontur bekommen zu haben und die fehlende Tiefe versucht er immer noch mit Autotune auszugleichen. Manche Menschen lernen einfach nicht aus Fehlern.
Textlich besitzt "Code" so viel Tiefgang wie die Stimme seines Interpreten und hält dadurch auch einen netten Unterhaltungswert bereit, zumindest für Menschen mit flachem Humor. Wenn dann scheinbar selbst der Texter keinen Bock mehr hatte, entstehen herrlich dumpfe, ins Leere laufende Sätze: "I want you to remember 'cause that's just how it goes" (in "Remember"), "I don't know what I need, but I try til I know" (in "Kiss Me"). Immerhin weiß Lukas aber, wann er es wissen wird: "You only know what you know when you know it". Wie poetisch!
Ein bisschen unheimlich erscheint die Tatsache, dass sich Riegers stimmliche Emotionslosigkeit auch auf die Textebene überträgt. Sorgenfalten ziehen sich unheilvoll auf der Stirn des Hörers zusammen, wenn er in "Slowmo" über ein Mädchen singt, das ihn verrückt macht: "She's got me feeling something". "Etwas"? Er redet davon, dass er sie am liebsten in Zeitlupe tanzen sehen möchte, weil sie so toll ist und dann fühlt er "etwas"? WTF?
So zieht sich das gesamte Album dahin. "But when you look me in the eyes / you know that you make me smile", singt er in "Treasure". Scheinbar kriegt er nicht mal für seine Auserwählte die Mundwinkel nach oben. Das klingt auf jeden Fall nach einem fortgeschrittenen Problem. Trotz all dieser Kritikpunkte liegen ihm die Pubertierenden zu Füßen. Die Girls lieben ihn, die Boys beneiden ihn. Und Rieger sowie seine Plattenfirma machen Cash ohne Ende.
9 Kommentare mit 2 Antworten
Ich finds gar nicht soo schlecht...
du hörst ja auch nickleback.
Widerlich
Im Wortlaut zumindest ein ehrlicher Albumtitel
"Deutsche Popmusik ist leider teilweise sehr austauschbar und langweilig geworden. Mein Ziel ist es, nicht von diesem Sog eingezogen zu werden"
@c452h:
Hat er geschafft, indem er sich an der austauschbar und langweilig gewordenen US-amerikanischen Popkultur orientiert hat, an der auch die austauschbar und langweilig gewordene deutsche Popmusik so gern rumjuckelt wie der gemeine rattige Handtaschenköter an Frauchens Unterschenkel.
Gruß
Skywise
also ich bin seit ca 20 jahren auf dem geistigen entwicklungsstand eines 13-14 jährigen hängen geblieben. ich beneide lukas rieger nicht.
aber ich bin versucht, aufgrund der phonetischen Ähnlichkeit, das autopsy plattencover von "shitfun" zu verlinken...aber dann wird mein post wieder gelöscht. so wie mein unfassbar geiles meisterwerk unter der manson news
Zu meiner Schulzeit hat man sich noch die Mühe gemacht und 175-seitige Liebesbriefe verfasst. Heute heißt es: "She's got me feeling something."