laut.de-Kritik

Überladen und konstruiert statt sexy.

Review von

"Ihre Musik klingt eigentlich ganz anders als 'I Follow Rivers'“, war bisher wohl einer der Lieblingssprüche von Lykke Li-Hörern, wenn mal wieder der Magician-Remix durchs Radio dudelte und man sich genötigt fühlte, Unwissende aufzuklären. Tja, diese Tage sind gezählt. Mit ihrem vierten Album nähert sich die Schwedin dem Mainstream-Pop an, von dem sie sich bisher mit tief melancholischem Singer/Songwriter-Avantgarde deutlich abhob. Würde sie Qualität und Atmosphäre dabei halten, wäre das nicht weiter schlimm – leider geht "So Sad So Sexy" aber oft gründlich schief.

Teilweise fordert sie den seichten Poolparty-Remix geradezu heraus. "Baby you and me are dreamers" und "vacation forever, baby" flötet es in "Jaguars In The Air", dazu gibts Trap-Beat, in Dreampop-Gewand gehüllte Millennial Whoops und mit Voice-Effekten beladene Sprech-Einlagen. Das Problem: Der Song ist so arm an Dynamik, dass er einfach verpufft und nicht einmal als Ohrwurm taugt.

Monotonie war schon immer ein Markenzeichen Lykke Lis und sie funktionierte, weil sie enormen Ausdruck in der Stimme trägt und diese wirken ließ. Jetzt überlädt sie die Produktion dermaßen, dass sie einfach darin untergeht. Bei den ersten drei Alben zeichnete das Gespann Lykke Li/Björn Yttling für den Großteil aller Songs verantwortlich. Auf "So Sad So Sexy" schraubten bis zu sechs Songwriter an einem Stück herum, Yttling ist raus. Es sei der Künstlerin gegönnt, bewusst einen neuen Ansatz zu verfolgen, nur leider demonstriert sie dabei vor allem, wie viel Wahrheit manchmal im "Viele Köche..."-Sprichwort steckt.

Die Intimität ist entweder komplett futsch oder wird bemüht konstruiert. So etwa in "Two Nights", das den Anschein einer introvertierten Klavierballade erwecken soll. Dafür braucht es eigentlich keine sechs Songwriter und schon gar nicht Skrillex als zusätzlichen Co-Produzenten. Die hat man aber, also fiept ständig etwas im Hintergrund, verwässert die eigentliche Melodielinie. Da Lykke im Lied den Seitensprung ihres Freundes beklagt, hatte irgendein Genius die Idee, ebendiesen zu Wort kommen zu lassen. Also legt Animé als Gast in einem völlig deplatzierten Rap-Teil los: "Damn right, she gon' dance on my damn Dickies", "You're paranoid like a bunny!" Spätestens danach hasst man nicht nur das fremdgehende Arschloch, sondern den ganzen Song.

Neben Tiefpunkten wie diesem oder "Sex Money Feelings Die", einem Track wie ein Pop-Up-Werbefenster, besteht "So Sad So Sexy" aus unspektakulären Fillern ("Bad Woman", "Last Piece") und vereinzelten Lichtblicken, die der Klasse Lykke Lis doch noch gerecht werden. Der Titeltrack mit seiner unaufdringlichen Epik kommt der Atmosphäre von zum Beispiel "Just Like A Dream" vom Vorgängeralbum nahe. In "Better Alone Than Lonely" bleiben die überflüssigen Sperenzchen angenehm im Hintergrund.

Die Vision eines neuen Sounds, zwischen modernem Elektro- und melancholischem Dream Pop, nach dem sie wohl auch in den anderen Songs strebte, geht aber nur im Closer "Utopia" auf. Hier ergibt endlich auch der Einsatz von Voice-Effekten Sinn – weil sie sparsam damit umgeht und auf die Struktur des Songs fokussiert bleibt. Immerhin pflanzt sie so noch die Hoffnung, beim nächsten Album statt viel Bemühen mehr Besinnen auf die Stärken einzufangen.

Trackliste

  1. 1. Hard Rain
  2. 2. Deep End
  3. 3. Two Nights
  4. 4. Last Piece
  5. 5. Jaguars In The Air
  6. 6. Sex Money Feelings Die
  7. 7. So Sad So Sexy
  8. 8. Better Alone Than Lonely
  9. 9. Bad Woman
  10. 10. Utopia

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2 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Ich stimme obiger Rezension insoweit zu, als dass das neue Album natürlich längst nicht so gut ist wie die beiden Vorgänger und sich etwas zu sehr an den Mainstream anlehnt. Dennoch sehe ich "So Sad So Sexy" nicht so negativ. Mit "Hard Rain" und "Deep End" beginnt das Album stark und doch irgendwie eigen, während Nummern wie "Sex Money Feelings Die" zwar austauschbar, aber im Grunde nicht schlecht sind - die Produktion stimmt jedenfalls. Auch der Titeltrack ist eine Erwähnung wert - hier schwingt das gewohnt Düstere von Lykke Li mit und verknüpft es gekonnt mit Lykke Lis neuem Stil. Für einmal sei ihr ein etwas poppigeres Album verziehen; das nächste wird dann vermutlich ohnehin wieder anders klingen. (3,5 von 5 - mit Fan-Bonus aufgerundet).

  • Vor 6 Jahren

    find das album gerade dafür klasse, dass es zeitgemäß af ist, ohne sich irgendwie untypisch für sie anzufühlen. Gerade trap-lykke hat mich total überrascht, aber auch so ein bisschen begeistert.