laut.de-Kritik

Zwischen Traum und Wachzustand, Melancholie und Freude.

Review von

Was ist von einem Album zu erwarten, das mit einem kotzgrünen Cover daher kommt und ein unpassend universitäres Wort wie Transfiguration im Titel trägt? Die Antwort: Viel, wenn es von einem eigenwilligen Menschen wie M Ward stammt.

Ward gehört zu jener Kategorie schrulliger Musiker, an dessen Arsch alles vorbei zu gehen scheint, ob Aussehen, Erfolg oder Anerkennung. Eine Konkurrenz gibt es wohl dennoch, wie kürzlich die Veröffentlichungen seiner Genrekollegen Will Oldham und Nicholas Dunger zeigen. Auf Dungers Album erschienen sie sogar gemeinsam. Ward kann dafür wie schon beim Vorgänger "End Of Amnesia" mit Giant Sands Howe Gelb auftrumpfen.

Die Transfiguration oder Verwandlung des Vincent beginnt mit Grillengezirpe, gezupfter Gitarre und Orgel bei gemütlicher Abendstimmung. Was geschieht? Vincents Herz bricht ("Vincent O'Brien"). Der Arzt rät ihm, ein trauriges Lied zu schreiben ("Sad, Sad Song"), doch er dreht durch ("Outta My Head"), träumt, ein Held zu sein ("Helicopter"), trifft seine Traumfrau ("Fool Says"), kann sich aber nicht entscheiden ("Get To The Table On Time"), ruft schließlich an ("Dead Man") und tanzt am Ende eng umschlungen mit ihr (David Bowies "Let's Dance").

In den 70er Jahren wäre bei einem solchen Zusammenhang der Unbegriff Konzeptalbum in den Sinn gekommen, aber der daran gebundene Überbau an jahrelanger Bearbeitung und zerfleischten Superbands fehlt hier gänzlich. Einfacher könnte die Produktion nicht sein: meist akustisch mit stampfenden Gitarren, Mundharmonika, gelegentlichen Verzerrungen oder Gelbs Klaviergeklimper, bringt sie die mal verzweifelte, mal ekstatische Stimmung des Hauptdarstellers gut rüber. Die Soundqualität ist mies genug, um vermuten zu lassen, dass die Aufnahmen in einem Wohnzimmer stattgefunden haben.

Wie schon "End Amnesia" bewegt sich dieses Album zwischen Traum und Wachzustand, Melancholie und Freude. Es ist aber abwechslungsreicher. So folgt mit dem angerockten "Vincent O'Brien" ein Kontrastprogramm zum harmonischen Opener oder dem hypnotisierten "Sad, Sad Song". "A Voice At The End Of The Line" ist dann wieder so ruhig wie ein Gutenachtlied. Es gibt zwar ein paar schnellere Stücke, am gelungensten sind neben "Dead Man" jedoch das an Neil Youngs "Music Arcade" erinnernde "Involuntary" und die Bowie-Coverversion. Letztere ist mit seinen einfachsten, langsamen Arrangements kaum zu erkennen und strahlt eine Zärtlichkeit aus, die dem fetzigen Original im Nachhinein fehlt.

Der Schein trügt, so lautet die Schlussfolgerung nach dem Hören dieses Werks. Scheiß aufs Cover, Titel oder Berühmtheitsgrad des Musikers: "Transfiguration Of Vincent" ist ein Album, das ans Herz wächst.

Trackliste

  1. 1. Transfiguration #1
  2. 2. Sad, Sad Song
  3. 3. Vincent O'Brien
  4. 4. A Voice At The End Of The Line
  5. 5. Duet For Guitars # 3
  6. 6. Outta My Head
  7. 7. Involuntary
  8. 8. Helicopter
  9. 9. Poor Boy, Minor Key
  10. 10. Fool Says
  11. 11. Get To The Table On Time
  12. 12. Undertaker
  13. 13. Let's Dance
  14. 14. Transfiguration # 2

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