laut.de-Kritik
Das Partytempo weicht altersmilder Weisheit.
Review von Michael SchuhSie feierten ihre größten Erfolge in den repressiven Thatcher-Jahren und kehren nun pünktlich zur wirtschaftlichen Krise mit ureigenen Madness-Themen zurück. Welch gelungener Coup. Da verzeiht man auch mal den seltsamen King Crimson-Albumtitel. Wie will man damit denn bitte heutzutage zum Endkosumenten durchdringen?
Aber man muss Madness nicht immer verstehen, schon gar nicht als Deutscher. Vielleicht liegt darin ja gerade das Geheimnis ihres Erfolgs. Zudem, machen wir uns nichts vor, heißen Madness-Hörer nicht Endkonsumenten, sondern Fans, die wiederum sachte bis weitreichend ergraut und daher für Nostalgie immer zu haben sind.
Äußerst praktisch also, dass die Band, die vor über 30 Jahren als North London Invaders erstmals zusammen fand, nun mit einem Album über London ihr Comeback feiert. Mit einem Konzeptalbum, ist man beinahe versucht zu schreiben, wenn es das nicht irgendwie schon immer gewesen wäre, was unter dem Namen Madness ins Plattenregal gewandert ist.
Ein Fuchs, dieser Suggs. Und um der unausweichlichen Frage dann doch auszuweichen, hat der Sänger und Songwriter im Booklet vorsorglich gleich die gesammelten Motive fürs Album und natürlich für den kryptischen Titel ausformuliert: Norton Folgate ist ein Ost-Londoner Bezirk, der hier als Symbol dafür steht, was Madness an ihrer Heimatstadt lieben. Die Freiheit, das Chaos, das Unerwartbare, die Vielfalt.
Gleich im Eröffnungssong, der einer theaterhaften Walzer-Ouvertüre folgt, nimmt uns Sänger Suggs fürsorglich an der Hand, und geleitet uns vom Regents Park über die Baker Street bis hin zum legendären Camdener Roundhouse, in dem bis heute angesagte Acts auftreten. "Merk dir eins, we are London, Junge", scheint er uns dabei zwischen all seinen Anekdoten ins Ohr zu flüstern. Irgendwann taucht auch die gute alte Mrs. Hutchinson in seinen Geschichten auf.
Fraglos: Eine Stadtführung mit dem ortskundigen und sympathischen Sänger würde man sofort zusagen. Musikalisch gelingt die souveräne Geste früherer Tage nicht immer. Selbstironie, Freude, Melancholie und eben Nostalgie; jene ganz spezielle Mischung, die Madness-Songs stets so britisch und wundervoll machte, blüht in den neuen Melodien leider nur noch vereinzelt auf.
Und so befällt einen leise Wehmut bei Songs wie dem schleppenden "Forever Young" oder den gleichzeitig smarten wie indifferenten "Rainbows" und "Bingo". Unverkennbar Madness, freilich, doch nicht annähernd so elektrisierend im Aufbau wie einst "Tomorrow's Just Another Day" oder "Close Escape".
Gerade am Beispiel des letztgenannten '80er Songs lässt sich der Unterschied zu den alten Madness anschaulich festmachen: Die unvergleichliche Abgedrehtheit der jungen Siebenerbande ist heute klaren Songstrukturen gewichen, das Partytempo altersmilder Weisheit.
An Highlights mangelt es deswegen nicht: "Sugar & Spice" klingt wie ein vergessener Track des Erfolgsalbums "The Rise & Fall", der abgehangene Reggae in "Dust Devil" ist schlichtweg einzigartig und wenn ein Song wie "That Close" mit Mike Barsons Pianoläufen beginnt, hat er im Prinzip eh schon gewonnen.
Das zehn Minuten lange "The Liberty Of Norton Folgate" gerät dann zum Glanzstück des Albums. Hier streift die Band nicht nur durch die Straßen ihrer Jugend, sondern auch durch altbekannte Rhythmus- und Soundmuster. Und spätestens wenn nach sieben Minuten orientalischer Chorgesang einsetzt, tanzen sie wieder vor dem eigenen Auge, die verrückten Sieben mit ihren Pork Pie-Hüten, irgendwo weit draußen, nachts auf dem Nil.
15 Kommentare
Wo ist eigentlich das Problem mit dem Albumtitel? Der klingt doch super.
Werde ich auf jeden Fall mal antesten. Habe immer noch kein Madness-Album von den neueren gehört.
ich auch nicht. um ehrlich zu sein, kenn ich nur das Debüt aber das ist mit Sicherheit eine der besten Ska-Revival-Scheiben. Was bräucht man denn eigentlich noch?
So oder so: All Hail To The Prince!
also nach "the rise & fall" hatte sich die band für mich erledigt, da immer weniger ska elemetne in ihrer musik zu finden waren ... braucht man die band heute noch ?
wenn ich heutzutage ska hören will greife ich auf die busters zurück, die verbinden den groove des ska mit fetzigeren mitteln und punk ... das rockt !!!
madness höre ich heute nur noch aus nostalgischen gründen
@Zapato El Don (« @sheik yerbouti (« wenn ich heutzutage ska hören will greife ich auf die busters zurück, die verbinden den groove des ska mit fetzigeren mitteln und punk ... das rockt !!! »):
um gottes willen. »):
... neee, aus eigenem willen
@oomphilein (« Mir hat das letzte Album auch nicht mehr gefallen. Werd aber zumindest mal reinhören. Ist es denn wenigstens etwas ska`iger ausgefallen? »):
Ska'iger als das letzte geht eigentlich kaum, sofern du auch wirklich das Cover-Album "The Dangermen Sessions" von 2005 meinst und nicht das letzte Album mit neuen Madness-Songs "Wonderful" von 1999, das ich übrigens in seinem Mix aus Pop- und Ska-Songs hervorragend finde.
Ich finde es erfreulich, wenn sich eine Band weiterentwickelt. Mir gefällt das Album SEHR gut.
Es soll in der Tat Madness Fans geben, die sich AUCH weiter entwickelt haben!