laut.de-Kritik

Vier Schwedinnen polieren den Psychedelic Rock auf.

Review von

Psychedelic Rock ist schon ein eigenartiges Genre. Man sollte doch meinen, man hätte fast 60 Jahre nach Jefferson Airplane alles gesehen und gehört, alle Lavalampen bewundert, jedes zehnminütige Gitarrengefiedel überstanden und dabei noch jede gut gemachte Wiederholung des Ganzen wohlwollend zur Kenntnis genommen. Dieses Genre bringt jedoch immer wieder Vertreter*innen hervor, die dem Ganzen neuen Schwung verleihen, die das Fenster zum Lüften öffnen und neue Sichtweisen auf alternde Musik ermöglichen.

Maidavale aus Stockholm gehören definitiv in diese Kategorie. Das Quartett entwickelte über seine gesamte Schaffensphase eine eigenwillige Herangehensweise an das Genre. Dominierten auf dem Debüt "Tales Of The Wicked West" (2016) noch die erdigen analogen Klänge der 70er Jahre, wurden die Töne auf "Madness Is Too Pure" (2018) deutlich experimenteller und obskurer. Die sechs Jahre bis zum neuen Longplayer verbrachten die vier Schwedinnen offensichtlich damit, sowohl Sound als auch Songwriting weiter zu schärfen.

Schon das vom Londoner Künstler Alex Khabbazi gestaltete Cover gibt die Richtung vor. Psychedelisch, sicher. Aber auch konkret, abstrakt und alles andere als ausufernd. So komprimiert das Quartett ihre Kreativität auf neun kompakte Songs. Überbordende Spielereien und Improvisationen sind nicht das Ding von Maidavale, die meisten Nummern gehen unter vier Minuten ins Ziel und entgehen so der Gefahr, die Hörerschaft zu ermüden oder gar zu langweilen. Es soll ja Leute geben, die hören sowas nüchtern.

Gleich der Opener "Faces (Where Is Life)" sonnt sich in einem bunten Riff von Gitarristin Sofia Ström, die sowohl mitreißende Soundlandschaften kreiert, als auch – wenn es sein muss – den Distortion-Knopf auf ihrem Pedalboard findet. So grooved sich die Nummer entspannt, aber eindringlich ins Ohr und macht Lust auf mehr. "Fools" schlägt daraufhin melancholischere Töne an, steht dem Vorgänger aber in Sachen Eindrücklichkeit in nichts nach.

Ebenfalls eine zentrale Rolle in Maidavales Musik nimmt Bassistin Linn Johannesson ein. Ihre ausgefeilten Bassläufe, in manchen Songs wie "Pretty Places" oder "Alla Dagar" (einer der äußerst seltenen schwedischen Songs der Band) in bester Kraut-Manier bis in tranceartige Zustände wiederholt. Dies ergibt zusammen mit Johanna Hanssons Schlagzeugspiel ein immer passendes Fundament, das nie aufdringlich, aber trotzdem einen wichtigen Anteil an den Gesamtkunstwerken der Schwedinnen bildet.

Über alledem thront Sängerin Mathilda Roth, die mal eindringlich und aufsässig, mal glockenhell und engelsgleich ihre gar nicht mal so verträumten, sondern oft deutlich sozialkritischen Botschaften versendet. Die Symbiose, die Musik und Gesang bei Maidavale eingehen, führt oft zu unerwarteten Wendungen. Diese gehen auf "Sun Dog" allerdings deutlich gefälliger ins Ohr als noch auf dem Vorgänger. Roth greift auch gerne selbst zur Gitarre oder zum Synthie, was den Songs mehr Tiefe gibt.

So klingen beispielsweise "Give Me Your Attention" oder "Control" mehr nach einer modernen Herangehensweise an Psychedelic Rock. Eher Tame Impala als Jefferson Airplane. Einen gewissen Pop-Appeal kann man den vier Musikerinnen nicht absprechen. Das luftige "Daybreak" passt exzellent zum frühlingshaften Roadtrip durch die schwedischen Wälder. Am wohlsten fühlt sich das Quartett aber wohl auf den freien und getragenen Psychnummern à la "Wide Smile, All Is Fine" oder "Vultures".

Mit "Sun Dog" liefern Maidavale einmal mehr den Beweis, dass sie kontinuierlich an ihrer Ausnahmestellung im Psychedelic Rock arbeiten. Ihre einerseits euphorisch schwebenden, andererseits aber auch eindringlichen und unbequemen Songs machen "Sun Dog" zu einem der spannendsten Releases der letzten Jahre.

Trackliste

  1. 1. Faces (Where is Life)
  2. 2. Fools
  3. 3. Give Me Your Attention
  4. 4. Daybreak
  5. 5. Wide Smile, All Is Fine
  6. 6. Control
  7. 7. Pretty Places
  8. 8. Alla Dagar
  9. 9. Vultures

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