laut.de-Kritik

Singer/Songwriter-Lieder zwischen Poesie und Klischee.

Review von

Kaum jemand ist so D.I.Y. wie Maike Rosa Vogel. Gerade als der Trubel um sie herum ernsthaft Fahrt aufnahm, zog sie sich zurück und veröffentlichte nur noch im reinen Eigenvertrieb. Auch die aktuelle Platte "Alles Was Ich will" erhält man als Low-Budget-Version auf ihrer Website. Dennoch wagt sie hiermit erneut den Schritt gen Labelvermarktung und bringt das Album nun auch auf herkömmlichem Wege heraus.

Genau so widersprüchlich wie diese unentschlossen anmutende Doppelstrategie klingt die Platte. Musik und Texte erzeugen Verzückung und Kopfschütteln gleichermaßen. Am Ende macht sich das etwas ernüchternde Gefühl breit, hier eine hochtalentierte Künstlerin zu hören, die sich leider zu oft selbst im Wege steht, um das vorhandene Potential vollends auszuschöpfen.

"Die Welt wird komplizierter, aber alles, was stimmt, bleibt leicht." ist nicht nur Auszug, sondern ebenso Motto und Überschrift der Scheibe. Sogar als Poster liegt der Spruch den Editionen bei. Sinn ergibt er gleichwohl nicht. Weder ist "kompliziert" das Gegenstück zu "leicht", noch wäre alles Stimmende unkompliziert. Damit täuscht bereits die große Überschrift eine philosophische Tiefe vor, die aufgrund sprachlicher Nachlässigkeit nicht existiert.

Ambivalenz zieht sich fortan konsequent als einzige Konstante durch diese 14 Lieder. Einerseits produziert Vogel das Album selbst, spielt mehrere Instrumente und bastelt alles per Logic-Programm zusammen. Andererseits hört man etlichen Tracks das zusammengeklebte Patchworknaturell an, wodurch eigentlich organische Elemente über weite Strecken eher nach Homunculus als nach lebendiger Einheit klingen. Warum so ein Schnitzer nicht spätestens in der Label-Auflage behoben wird, bleibt rätselhaft.

Die Stücke selbst verfügen überwiegend über simple aber effektive Dynamik und einen intensiv melodischen Charakter. Vom folky Gassenhauer-Refrain bis zur sensiblen Ballade hat MRV grundsätzlich alles in Petto, was im Genre Singer/Songwriter ankommt. So ist die Platte vor allem an jenen Stellen betörend, die zu spartanischer Begleitung pures Gefühl atmen. "Alles Was Ich Wünsche" etwa reißt mit poetischen Zeilen und leidenschaftlich gehauchter Stimme mit.

Andere Stücke kranken besonders an ihrem Vortrag. Vogel präsentiert nicht jenes Volumen, das vor allem die ausgelassenen Lieder benötigten. Statt kraftvoller Intonation verlegt sie sich oft auf künstlich naiven Kita-Gesang, dessen infantile Note ihren Zeilen jegliche Kraft raubt. Im Ergebnis klingt die 40-Jährige dann analog Peter Brugger/Dirk von Lowtzow, als hätte deren kleine Schwester am Lagerfeuer erstmals die Klampfe ausgepackt. Durch den IKEA-Slang geht ein Großteil des Charismas baden ("u.a. "Wirklich In Berlin").

Ihre Texte bieten ein nicht minder zerfahrenes Mosaik. Sofern sie in bildhafter Sprache das scheinbar Kleine, die scheinbar beiläufige Geste zum großen, anrührenden Emotionspaket ausweitet ("Du Bist So Schön", "Liebe Geht Nie", "Staub", "Flippflopparanoia"), möchte man ihre Lieder umarmen. Sobald sie den Songs jedoch Raum zum Atmen und schnatternd den Worten ihre Entfaltung vorenthält, wird es anstrengend. Füllsätze zuhauf stehen belanglos in Raum.

Den Todesstoß versetzt sie der eigenen Kunst regelmäßig durch stereotype Nichtigkeiten in Therapie-Tonfall und Sozpäd-Duktus. "Alle Menschen sind glücklicher im Frieden. Niemand wohnt gern neben Atomkraftwerken. Es gibt keine glücklichen Milliardäre. (...) Alle Menschen sind verschieden". In solchen Passagen fragt man sich, was wohl Sven Regener zu derlei Platitüden sagt. Der Element Of Crime-Mastermind ist Vogels Entdecker und greift auch hier zwischendurch zum Bass.

Nach dem Verklingen bleibt die Irritation sowie die Frage, was will eine offenkundig begabte Musikerin, die ihr Licht leider unter den Scheffel stellt? "Alles, was ich will, ist, dass die Nazis und die Schweine uns nicht kriegen und das wir und alle, die wir lieben, für immer bleiben." Dafür muss man sie dann doch ein wenig lieben.

Trackliste

  1. 1. Du Bist So Schön
  2. 2. Am Abgrund Der Welt
  3. 3. Ich Bezahl Mit Liebe
  4. 4. Nimm Die Angst Mit
  5. 5. Yoko Ono
  6. 6. Wirklich In Berlin
  7. 7. Liebe Geht Nie
  8. 8. Die Grosse Einfachheit
  9. 9. Staub
  10. 10. Flippflopparanoia
  11. 11. Du Nimmst Jede Hoelle Mit
  12. 12. Es Ist Ganz Leicht
  13. 13. Pure Vernunft Darf Niemals Siegen
  14. 14. Alles Was Ich Wünsche

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LAUT.DE-PORTRÄT Maike Rosa Vogel

"Meine Lieder handeln eigentlich immer von mir. Meistens schreibe ich dann, wenn ich etwas aus mir rauskriegen möchte – egal ob positiv oder negativ.

11 Kommentare mit 11 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    "Zerfahren" ist ein gutes Wort für die Texte, stimmt. Ich hab' nach Erwerb der Ur-Version die Texte als "sprunghaft" bewertet, zumal sie häufiger in ihrer Lyrik ziemlich unerwartete Haken schlägt. Das war zwar früher auch schon so, aber da kam die Kurskorrektur nach einigen Zeilen und nicht erst nach einer oder zwei Strophen ...
    Ich hatte das Gefühl, daß hier eine Hand fehlte, die alles etwas zurecht rückt. Irgendwer, der ihr ein paar überflüssige Floskeln aus den Liedern streicht oder ihr klarmacht, daß "DIY" nicht heißt, daß man dringend zusätzliche Instrumente einsetzen MUSS, wenn's danach suboptimal klingt. Daß sie besser kann, hat sie mit Konstantin Gropper oder Sven Regener an der Schaltzentrale bereits bewiesen, aber solo kriegt sie richtig griffige Titel offenkundig leider nicht hin. Was schade ist, denn gute Ansätze finden sich auf dem Album schon, aber es sind leider zu viele Stolpersteine, die sie oder ihr fehlendes Maß einem in den Weg räumen.
    Gruß
    Skywise

  • Vor 6 Jahren

    "Dafür muss man sie dann doch ein wenig lieben."

    Dir ist klar, dass das schon sehr abgefuckt klingt?

    Ich finde, du gehst zu hart, mit ihr ins Gericht. Erstens, man betrachte ihre Bio. Kommt gut hier zum Ausdruck, was vor der Pause ganz groß und authentisch rüber kam. https://www.youtube.com/watch?time_continu…

    Zweitens, wer sagt den das der große Kritiker immer alles verstehen muß, wenn er den, das Wissen um etwas, als den höchsten Masstab anlegt?

    Na klar, als jemand der sich im Geschäft bestens auskennt, tut es weh, ein Talent nur talentiert stehen lassen zu müssen. Da geht dem Label, wohl einiges flöten, logisch.

    Auf der anderen Seite wird da kein Schuh raus, da du ja selbst schreibst, zusammen gefrickelt, also nix gewonnen aber auch nix verloren.

    Anwalt, die Kritik war etwas zu abgehoben, bezogen auf deine unzweifelfhaft vorhandenen sprachlichen Talente. Jetzt stell dir mal vor, man würde dich so abkanzeln? ;)

    So nun hör ich erstmal rein, mal schauen ob das auch alles so stimmt, was der Anwalt so erzählt.

    Gruß Speedi

  • Vor 6 Jahren

    Kann schon nach 3 Songs sagen, kein Grund entdeckt sie so ab zu werten. Optisch hat sich die gute Maike verändert, Haare ab, dem Cover brauch man keine Beachtung schenken. Musikalisch klingt die Schlaggitarre wie vor 6 Jahren, bisschen besser sogar, da in 6 Jahren man auch reichlich übt. Die Frikelei und? Spontane 3/5 mit Tendenz zur alten Note. Textlich, hat sie wohl etwas verloren, aber nicht so viel, dass das für eine glattes mangelhaft auch reicht. Und da sie nicht mehr alleine Musiziert, gibt es da ja noch einige, die ihr Tipps geben?

  • Vor 6 Jahren

    dein_boeser_Anwalt, lustig, bei einem männlichen schreiber wie mir hier erkennst du sofort mal, wenns mit leidenschaft und pfeffer geschrieben ist. aber bei einer weiblichen songwriterin siehst du überall nur schwäche, schwäche, schwäche :)obwohl frau vogel doch auch mit leidenschaft und pfeffer am werk ist.

    trotzdem danke fürs sportliche anerkennen meiner gegenrede! und ja, schön dass du auch anerkennst, dass es da wohl grundsätzliche wahrnehmungsunterschiede gibt. so wird das unter menschen wohl immer sein; weil menschen unterschiedlich sind und unterschiedlich wahrnehmen. das problem ist nur: dass wir eben auch noch in einer gesellschaft leben, in der verschiedene personengruppen mit verschiedenen stereotypen und klischees verbunden werden, stichwort: vorurteile! platt gesagt: "der pole klaut", "die karrierefrau ist kalt", "der berliner ist dumm". ihr wisst schon was ich meine: die art von scheiße halt.

    und jetzt kommts: du sagst, du bist bei männlichen musikern genauso kritisch. das glaub ich dir sofort! das problem ist nur, diese rezension über eine musikerin ist nicht einfach kritisch, sondern sie bezieht die besondere kraft und auch überzeugungskraft ihrer kritik aus genau DEN vorurteilen, die sich frauen, die musik machen, seit den anfängen der popmusik immer wieder anhören müssen, ganz besonders in deutschland: sie könnens nicht so richtig gut. es mangelt ihnen an handwerk und so. sie wissen nicht genau was sie tun, selbst ein starker eigener wille im karriere-weg (pause machen, wieder loslegen, sich umorientieren, also in anderen worten: selbstbestimmung) wird bei dir als "ambivalent" und sie weiß nicht so recht, was sie tut, ausgelegt; bei der produktion stimmt technisch was nicht (wenn sie es selber produziert haben).

    man könnte da sicher auch in die archive gehen, und würde feststellen, dass platten von musikerinnen besonders dann verissen werden , im ganz hohen bogen, wenn kein mann mehr "hand angelegt hat."

    das kann mir kein mensch erzählen, dass da nicht doch bewusste oder unbewusste vorurteile dieser art eine rolle gespielt haben. sonst wäre es ja ein schöner zufall, dass es genau auf diesen einen punkt halt immer hinausläuft: sie kann dies und jenes nicht... zumal jetzt, wo der regener weg ist, ne? und in wahrheit: kann sie alles nur zu gut! und das verkraftest du nicht, entschuldige diese unterstellung, so kommts halt rüber. ( dieses album handelt überdies dochnicht vom können sondern von dem versuch eines menschenwürdigen lebens im neoliberalismus, von aufstand und aufruhr! man merkt du kannst nicht inhaltlich mitgehen, du KAPIERST gar nicht wovon das hier handelt); oder du hörst es wirklich nicht, du hörst es mit anderen ohren, gestärkt durch die jahrzehntenlangen vorurteile. zum beispiel bei catpower war es auch so oder bei judith holofernes, beides außergewöhnliche künstlerinnen, deren erstes album, was sie dann mal selber produziert haben, bei den kritikern weitgehendst durchfiel. auch da: nicht beim publikum, sondern nur bei der kritik. davor totale kritikerlieblinge.

    so und mit dieser kritik an deiner kritik musst du jetzt eben leben.

    und warum sich der andere" kollege" hier aufregt, weil ich geschrieben habe, ihr kann es egal sein, sie spielt ausverkaufte konzerte, so nach dem motto: wenn man keine argumente hat redet man über erfolg, ist ja wohl in anbetracht meiner vielen gründe, warum das album toll ist und meiner ellenlangen gegenrede, auch ein bisschen aus der luft gegriffen :) also echt! klar ist es generell blöd, wenn man sagt, "der erfolg gibt leuten recht"; da meint man aber sicher keine selbstproduzierten musikerinnen, die ihre alben indie veröffentlichen und trotzdem vor ausverkauften häusern spielen. ein bisschen augenmaß hat auch noch keinem geschadet, will ich mal meinen. da mit talentbefreiten youtubern zu kommen ,ist echt geistig arm.

    und überhaupt: ich wiederhole, nein, sie braucht keine hilfe beim songwriting. ihre songs berühren und das obwohl sie total unangepasst ist. und sich eben nicht die sterotype und klischees des kapitalismus verinnerlicht hat. weiter so, maike! dein fan

  • Vor 6 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 6 Jahren

    na, du legst ja los.

    ich kann mit dem zweiten, sehr sachlichen kommentar kann ich deutlich mehr anfangen, als mit dem ersten. danke nochmals für die mühe.

    natürlich haben künstlerinnen/musikerinnen es strukturell bedingt nicht leicht im biz. da bin ich ganz bei dir.

    aber weißte was: wenn die scheibe rotiert und die töne aus den boxen kommen, muss es mir ja vollkommen egal sein, ob ich hier ne frau, nen mann, ne hautfarbe, religion, ethnie x oder y vor mir habe. da bigt es nur die frage: bringt der jeweilige künstler es oder nicht?

    insofern ist es mir auch egal, ob nun gerade die schrottfreunde stiller, erdmöbel oder mrv diese naivisierte gesangsschiene fahren, mit der deutschland sich international lächerlich macht. da bin ich dann eben zu allen dreien recht deutlich. und natürlich gehört zuspitzung zum geschäft. ne rezi ist ja nicht nur info, sondern auch unterhaltung.

    wichtig ist nur, dass die kriterien stimmen und der jeweilige maßstab nicht etwa bei frauen unfair bzw herabwüdigend angelegt wird. und an dieser stelle kommen die sportfreunde oder ermöbel sogar weit schlechter weg bei mir als mrv, der ich talent und eine handvoll guter song im text zugestehe.

    natürlich ist der kritiker auch nur ein mensch, auch meinungsgetrieben, auch subjektiv unterwegs. entscheidend ist asomit, ob man als autor seine these vertretbar begründet oder nicht. hauptsache, es gibt ne starke diskussionsgrundlage, zu der man sich dann qua zustimmung oder antithese verhalten kann.

    ich gebe dir mal nen tipp zu zwei aktuellen deutschen sängerinnen/texterinnen, die mich weit mehr überzeugen und für mich ein qualitativer maßstab sind, an den das obige album aus meiner sicjht nicht entfernt herankommt.

    https://www.laut.de/Liebe-Frau-Gesangsvere…

    und

    https://www.laut.de/Andrea-Schroeder/Alben…