laut.de-Kritik

Mit melodischen Spitzen rauf auf die große Metal-Bühne.

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Für Malevolence hat nicht viel gefehlt, um den letzten Schritt zu gehen, weg vom Image der Untergrund-Erscheinung, rauf auf die ganz große Metal-Bühne. Das Fundament war immer da. Sobald brutale Härte und technische Finesse so überzeugend aufeinandertreffen, ist die Verzückung der Metal- und Hardcore-Szene ohnehin nicht weit. Um allerdings jenseits des Fachpublikums Spuren zu hinterlassen, braucht es mehr. Vielleicht ein Mü mehr Kontur im Songwriting?

Genau das erreichen die Briten mit ihrem vierten Langspieler. Statt wie bisher eine wilde Thrash-Party zu feiern, in der zwei bis drei Songs besonders prägend über den anderen thronen, werden diesmal mehr Varianzen eingestreut. Jeder einzelne Track bekommt einen Wiedererkennungswert verpasst. Im Wesentlichen kristallisiert sich der verschlissene Stimmapparat von Gitarrist Konan Hall dafür als Schlüssel heraus.

Malevolence wehren sich nicht länger dagegen, diese Art von "Gesangsmelodien" ungeniert als Ass im Ärmel auszuspielen. Nicht nur das! Auch die Zusammenarbeit mit Josh Wilbur, der schon für Größen wie Parkway Drive, Korn oder Trivium produzierte, hievt das neuste Werk soundtechnisch auf ein anderes Level. So viel zu den Rahmenbedingungen.

Vom Start weg liefert "Blood To Leech" den Beweis dafür, dass auch das härteste Brett seine Durchschlagskraft über die Form entfaltet. Das ungebändigte Temperament tritt zugunsten des Songwritings weiter in den Hintergrund. Wie markerschütternd kann ein Schlagzeug anschieben? Wie flüssig können Finger übers Griffbrett wandern und diesem rasend schnelle Riffs entlocken? Es klingt, als habe man die Wucht von Lamb Of God oder As I Lay Dying exponentiell gesteigert. Das aufkeimende Gitarrengewitter wird mehrmals gezielt gebremst, verschiedene Tempo- und Genre-Modi durchexerziert. Von Beatdown, über Thrash bis hin zum klassischen Metal bleiben keine Wünsche offen. Dadurch bekommt das Ganze einen progressiven Anstrich, der Lust macht, gleich mehrmals reinzuhören.

Netter Einstieg, die Aufmerksamkeit ist voll da. "Trenches", "If It’s All The Same To You" oder "Heaven Shake" setzen noch einen drauf und veredeln die bombastischen Ansätze. Hier kommt Hall ins Spiel, dessen Stimmbänder, wie üblich tiefröhrend, eine Art Chorus rauspressen. Das nimmt Fahrt raus und schafft einen unverwechselbaren Kontrapunkt zum rastlos aggressiven Gekeife. Dazu ein paar komplett wahnsinnige Soli, eskalative Breakdowns, und fertig sind gleich mehrere Monster, die so schnell niemand vergisst.

Und wer nun glaubt, das deute auf ein generischen Songwriting für die breite Masse hin, darf sich wieder beruhigt zurücklehnen. Davon sind die auffällig verstärkten melodischen Spitzen weit entfernt. Zumal das bedingungslose Haudrauf weiter den Gesamteindruck bestimmt. Besonders variantenreich vorgetragen, bleibt etwa mit viel Hardcore-Liebe in "Counterfeit" oder Death Core-Ausbrüchen in "Demonstration Of Pain" weiterhin kein Stein auf dem anderen. Es rumst ununterbrochen, aber eben nicht wahllos. Markante Abwandlungen halten die Ohren bei Laune. Es geht nicht darum, krampfhaft auf hart zu tun, sondern der Dramaturgie jedes einzelnen Tracks mehr Priorität einzuräumen.

Auf der Suche nach einem Paradebeispiel für diese These tut sich "Salt The Wound" besonders hervor. Neu ist es nicht, dass Malevolence eine melancholische, in Zügen balladenhafte Nummer auf die Tracklist packen. Dass der Schwermut allerdings so tief schürft, Salz in offene Wunden kippt und sich im feinsten Metal-Sound suhlt, öffnet neue Dimensionen. Halls überraschend klare, tiefe Stimme geht in der Strophe runter wie Öl, ehe sich die angestaute Verzweiflung im Chorus entlädt.

"Bite my tongue and hold my final breath, salt the wound and rip the heart from my chest". Natürlich entsteht hier ein pechschwarzes Bild vom aussichtslosen Strudel namens Leben. Das gehört dazu. Für Leichtigkeit sind andere zuständig. Weniger tragisch und flotter in seiner Grundausrichtung, aber nicht minder genial, greift "Imperfect Picture" die Aufgabenteilung wieder auf. Dem Reibeisen-Gesang gehört die Strophe, Alex Taylors Gebrüll übernimmt den Rest.

Wer hofft, noch mehr neue Seiten der Briten aufzuspüren, wird spätestens im Lamb of God-Feature "In Spite" fündig. Die Ode an die Metalcore-Veteranen und das Genre als solches brennt ein Feuerwerk ab. Selten macht ein Gastauftritt so viel Spaß wie der von Ryan Blythe, dessen martialische Wikinger-Shouts perfekt mit dem schnellfeuernden Mundwerk von Taylor harmonieren. Was für eine Abrissbirne!

Um den wilden Mix an Einflüssen nochmal Revue passieren zu lassen, markiert "With Dirt From My Grave" die abschließende Metzelorgie. Doch ganz ohne Klargesang geht's auch diesmal nicht. Halls bleischwere Röhre hat ihre Momente und gönnt den Nackenmuskeln eine Verschnaufpause. Besser hätte man das neu gewonnene Selbstverständnis kaum abbinden können.

Die richtigen Stellschrauben sind endgültig gedreht. "Where Only The Truth Is Spoken" setzt nicht nur in Sachen Wahrheitsanspruch neue Maßstäbe. Mit dieser Platte dürften die Sheffielder ihr Standing im Zirkus der harten Töne zementieren und wie eine Dampfwalze unaufhaltsam über bestehende Grenzen hinweg fegen. Ganz nebenbei sind sie damit definitiv ein heißer Anwärter auf das Metal-Album des Jahres!

Trackliste

  1. 1. Blood To The Leech
  2. 2. Trenches
  3. 3. If It's All The Same To You
  4. 4. Counterfeit
  5. 5. Salt The Wound
  6. 6. So Help Me God
  7. 7. Imperfect Picture
  8. 8. Heavens Shake
  9. 9. In Spite
  10. 10. Demonstration Of Pain
  11. 11. With Dirt From My Grave

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