laut.de-Kritik
Schamanendoom in space.
Review von Manuel BergerBei ihren ersten beiden Alben erdrücken Mammoth Weed Wizard Bastard ihre Hörer von Sekunde eins an mit abgrundtief gestimmten Doom Metal-Riffs, die auch den Rest der Scheiben klar dominierten. "Yn Ol l Annwn" ist anders. Eine Moog-Sequenz leitet bei "Trafalmadore" den Startvorgang ein, dann heben die Waliser mit "The Spaceships Of Ezekiel" und jeder Menge elektronischen Fiepens und Piepens ab ins All. Erst dann setzen Paul Davis und Wez Leon den Gitarrenschraubstock in Gang.
Klar, die Doom-Maschine läuft weiterhin wie geschmiert. Im 13-minütigen Instrumental "Katyusha" ragt eine Fuzz-Wand empor, so mächtig, dass Donald J. Trump damit vermutlich die mexikanische Grenze beschallen würde, bekäme er sie zu hören. Was ihm weniger gut gefallen wird: Mammoth Weed Wizard Bastard öffnen vielfach ihr Bollwerk, um mehr und intensiver genrefremde Elemente in ihren Sound zu integrieren.
Synthesizer und Streicher gab es zwar schon auf "Y Proffwyd Dwyll", nun rücken sie allerdings stärker in den Vordergrund. "Du Bist Jetzt Nicht In Der Zukunft" befreien die Waliser von jeglicher Metal-DNA. Plötzlich wähnt man sich im Soundtrack eines Achtzigerer-Horrorfilms. Zusammen mit für Bandverhältnisse ziemlich poppigen Vocals und tieftrauriger Cello-Harmonie, ergibt sich ein ebenso ungewöhnliches wie faszinierendes Stück Musik. Auch "The Majestic Clockwork" prägt das Cello – energisches Stakkato dient als Lautmalerei für eine unbarmherzig tickende Uhr.
Durch "Fata Morgana" geistern Glockenspiel und Akustikgitarre, ein zerbrechliches Psycho-Folk-Lick hält den geneigten Wüstenwanderer erst einmal fünf Minuten lang hin, bevor sich die Treibsandgrube öffnet und man im Sludge ersäuft. Sängerin Jess Ball schwebt wie immer als unheilvolle Fee über dem Geschehen, haucht erst sanft tröstend, dann entrückt, schließlich zunehmend sinister ihr Mantra. Am Ende verschmelzen Synthesizer und ihre Klagelaute zu einem dystopischen Crescendo.
Ganz anders der Titeltrack "Yn Ol I Annwn": Statt langem, hypnotischen Aufbau kommen Mammoth Weed Wizard Bastard sofort auf den Punkt, folgen einer relativ gewöhnlichen Songstruktur mit Hooks, Solo und schnell greifbaren Riffs. Wegen Jess Balls gezogenem Gesang erinnert der Track zwischendurch sogar stark an Nirvana – im Stoner-Doom-Filter versteht sich.
Alle Elemente – außer der Eingängigkeit – vereint die Band im Chaos des Closers "Five Days In The Abyss". Das Glockenspiel taucht wieder auf, das Cello trauert und beschwört zusammen mit leisem Synthesizer und an Walgesänge erinnernden gitarristischen Soundeffekten den im Titel genannten Abgrund. Ruhige, mystische Parts wechseln sich mit brachialen Riffattacken voller Taktwechsel ab, was man in dieser proggigen Form von Mammoth Weed Wizard Bastard noch nicht gehört hat.
Paul Davies beschreibt "Yn Ol I Annwn" als Finale einer Trilogie, deren Ende gleichzeitig ihr Anfang ist – ein Existenzkreislauf, beginnend in der druidischen Unterwelt ("Noeth Ac Anoeth"), fortgeführt im Reich der Lebenden ("Y Proffwyd Dwyll"), beendet in der Zukunft und dem Niedergang der Menschheit ("Yn Ol I Annwn") und daraufhin neu startend. Weil dieses Projekt nun abgeschlossen ist, hegt Davies aktuell keine Ambitionen, ein viertes Album unter dem Banner Mammoth Weed Wizard Bastard zu schreiben – schließt es zum Glück aber auch nicht aus.
Gut möglich, dass die Tage des Schamanendoom so oder so gezählt sind, falls die Band ein neues Kapitel an einen Stilwandel koppelt. Dass ihre Fähigkeiten aber weit über dröhnendes Schwermetall hinausgehen, beweisen sie auf "Yn Ol I Annwn" ohnehin eindrucksvoll. Die nächste Mammoth Weed Wizard Bastard-Trilogie kann also eigentlich gar nicht früh genug starten.
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